Mittwoch, 4. Juni 2014

Röm 8 und Apg 2 Pfingsten 2014


Predigt zum ökumenischen Gottesdienst mit Anglikanern und Ev. Nachbargemeinde nach gemeinsamer Prozession durch den Westend (Berlin Charlottenburg). 


Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt!

1970 hält die Welt den Atem an.
Das stark beschädigte Raumschiff Apollo 13 ist auf  dem Rückflug zur Erde.
Alle Katastrophen hat sie überstanden.
Jetzt steht das Wiedereintauchen in die Erdatmosphäre bevor.
Wird sie es schaffen?
Ist der Eintrittswinkel mit den beschädigten Instrumenten richtig berechnet?
Oder wird das Raumschiff an der Erdatmosphäre abprallen wie ein Pingpongball und ins All hinausgeschleudert werden?
Die Mondfähre schafft es, die Welt atmet auf.


Um das Jahr 30 unserer Zeitrechnung hält die Welt den Atem nicht an.
Das tut nur Gott im Himmel.
Es geht um Jesus, sein Pilotprojekt.
Jesus ist einer seiner wichtigsten Hoffnungsträger.
Manchmal möchte ihn Gott sogar seinen Sohn nennen.
Jesus ist jedoch in die Mühle der römischen Gerichtsbarkeit geraten,
hat gelitten unter Pontius Pilatus, wurde gekreuzigt, starb und wurde begraben.
Aber Gott hat sich nicht abweisen lassen von diesen Tatsachen.
Alle Katastrophen hat er überwunden, ist in die Tiefe des Todes gestiegen, mit Jesus und hat dafür gesorgt, dass das Leben das letzte Wort hat.
Jetzt, denkt er, jetzt geht es los.
Die Botschaft der Liebe und des Friedens wird die Welt verändern, sich ausbreiten.

Gespannt hält Gott den Atem an....
Und nichts passiert.
Unruhig blickt er nach Jerusalem.
Wo um alles in der Welt sind die denn?
Wie? In den Häusern? Im Dunkeln? Zitternd? Voller Angst?
Wie kann das sein?
Hallo Leute, denkt Gott, hatten wir nicht eben eine Auferstehung?
Habt ihr nicht gerade erst begeistert gerufen: Er lebt, wahr und wahrhaftig?

Ich verstehe Gottes Staunen gut:
Der Wiedereintritt Jesu und seiner Botschaft in die Erdatmosphäre ist geschafft.
Was kann da noch schiefgehen?
Das wäre ja so, als ob die Apollofähre nach allem aus Versehen im falschen Meer landete und verloren ginge.
Doch es ist so: Der Funke des Lebens breitet sich nicht aus.
Die Welt nimmt ihn überhaupt nicht wahr.
Alles redet, handelt, läuft weiter wie zuvor.
Und die Jünger und Jüngerinnen verstecken sich,
anstatt die Welt aus den Angeln zu heben vor lauter Glück und Freude.
Ein Flop, wie er schlimmer nicht sein kann.
Gott schüttelt den Kopf.
Einmal noch, denkt er, einmal versuche ich es noch.
Und er sammelt die ganze Kraft seiner Liebe zusammen und schickt seinen Geist,
hinunter nach Jerusalem, in die dunklen Häuser.  
Er durchbricht die Atmosphäre der Angst und Resignation
und hebt die Welt für einen Moment in die Luft.
Die Leichtigkeit seiner Liebe erreicht die Herzen der Jüngerinnen und Jünger,
und setzt sie in Bewegung.
Alle Schranken fallen.
Pfingsten. Nicht zu übersehen.
Die Freude Gottes tanzt auf den Straßen, teilt sich allen mit, in allen Sprachen der Welt.
Yolo, wohin man blickt.
Gott lehnt sich aufatmend zurück.
Die Liebe hat den Eintritt in die Atmosphäre geschafft.
Der Geist wohnt in den Menschen.
Jetzt sind die dran, denkt er beruhigt, und erholt sich bei einer wohlverdienten Pause.

Wir wissen, dass es dann wirklich losging.
Gemeinden entstanden,
die Christen ließen sich keine Angst mehr machen,
jedenfalls nicht soviel, um sie zum Schweigen zu bringen.
Leicht war das dennoch nicht.
Und sie mussten sich gegenseitig immer wieder klarmachen, dass ein anderes Leben tatsächlich möglich ist.
Das hat auch Paulus versucht, im 8. Kap. des Römerbriefes:
Der Geist Gottes wohnt in den Menschen, erinnert er seine Leute.
Der Geist macht lebendig, weil es der Geist Gottes ist, der Jesus von den Toten auferweckt hat.
Ihr habt es immer wieder schwer, klar, sagt er,
es ist nicht so leicht, sich von den Gewichten zu befreien, die uns am Boden halten.
Unser Körper, die Grenzen, in denen wir leben, die haben ihre eigenen Gesetze.
Wer sich aber ganz an die Grenzen hält, die das Leben, die die Welt ihm setzen,
wer seine Kraft ganz darauf konzentriert, in diesen Grenzen sein Leben zu gestalten,
der hat keine Kraft mehr übrig für ein Leben im Geist Gottes,
der weist ab, was ihm zum Leben verhilft.
Trifft aber auf euch nicht zu, muntert Paulus seine Leute auf.
Gottes Geist wohnt in euch.
Ihr mögt unter den Grenzen des Lebens leiden wie alle anderen auch,
aber wenn ihr auf Gottes Geist vertraut, dann geht mehr.
Wenn ihr euch anrühren lasst, umtreiben lasst, dann bewegt sich etwas.
Gott ist da.
Er weckt uns immer wieder zum Leben auf.
Öffnet uns für seine Gerechtigkeit.
Traut uns ganz viel zu und schickt uns die Kraft seiner Liebe.
Es ist an euch,  euch zu erlauben, ein Leben im Geist zu führen, meint Paulus.
Ich sag nur soviel: Es ist möglich.

Netter Versuch, Paulus.
Aber Behauptungen, so gut sie auch gemeint sein mögen, helfen nicht immer weiter.
Gott kann Freude und Liebe schicken wie er will,
bei vielen prallt das ab.
Der Eintrittswinkel scheint sehr schmal für den Geist Gottes,
der in der Atmosphäre unseres Lebens alles zu Gerechtigkeit und Freude wandeln will.
Wie soll das gehen, so im Alltag?
Wie kriegen wir das gemeinsam hin?
Besuchen wir ein zweisprachiges Pärchen:  

Tom:   Anna?
Anna:  (steht abgewandt da, dreht sich nicht um) What?
Tom:   Du bist so abweisend.
Anna:  (schaut ihn an, versteht den Ausdruck nicht) Abweisend?
Tom:   You’re so off to me.
Anna:  Oh, come on, Tom! Just leave me  alone!
Tom:   Aber ich will dich nicht alleine lassen. Du hast doch was?
Anna:  LEAVE ME ALONE! 
Tom:   O.k.. (geht beleidigt zur Seite. Pause, dreht um und kommt wieder.)
            Anna?
Anna:  For heavens sake, Tom!
Tom:   Ich habe gedacht, ich lade dich zum Essen ein.
Anna:  (wütend) Zum Essen einladen?
Tom:   I want to ask you for dinner.
Anna:  I understood that.
Tom:   O.k?
Anna:  They say, I’m fat.
Tom:   Du? Dick? Wer sagt das?
Anna:  Carol and Marie. And they’re right.
Tom:   So was Blödes! They are damn silly, Anna.
Anna:  No, they aren’t. And from now on, I won’t eat any sweets, any nudels, any potatoes, any cheese, any cream for the rest of my live!  Just vegetables! Raw!
Tom:   Du spinnst. Rohes Gemüse? Keine einzige Nudel? Dein ganzes Leben lang? Das hältst du nicht eine Woche durch.  Hör mal. (legt den Arm um sie)  Du bist wunderbar, du bist klug, du bist wunderschön, du hast soviel Phantasie und Kraft in dir, du bist liebevoll zu anderen und hilfst immer, du hast ein tolles Lachen. Gott hat einen Volltreffer mit dir gelandet.
Anna:  Really? Oh, please, could you say that again.
Tom:   You are marvellous, you are smart, you are wonderfully beautiful, you have so much power and imagination, you are caring to others, you have such a hearty laugh. God shot in Bull’s eye, when he created you. O.k.?
Anna:  (denkt einen Moment nach) O.k.
Tom:   So, which restaurant?
Anna:  Italien?
Tom:   Great.
Anna:  Lasagne?
Tom:   Wonderful! Let’s go.
           

Jetzt sind die dran, sagte Gott nach dem Ereignis in Jerusalem.
Und er kann beruhigt sein.
Wir tanzen nicht immer auf den Straßen,
aber heute zum Beispiel waren wir nicht zu übersehen bei der Prozession durch den Westend.
Wir stecken manchmal fest in unserem Leben, in unserem Körper,
und können die Grenzen nicht einfach beiseite schieben, in denen wir leben.
Und manchmal leiden wir, leiden unsere Geschwister sehr.
Aber wir haben uns, haben die Menschen in den Gemeinden, in der weltweiten Kirche, um uns daran zu erinnern in allen Sprachen der Welt:
Gottes Geist der Liebe wohnt in mir, in dir.
Und das zeigen wir
im Mut neue Wege zu gehen, in den Gemeinden und in unserem Alltag.
in der Kraft, die Grenzen zu verrücken, die uns und andere am Leben hindern,
und Nudeln zu essen, allen Waagen zum Trotz.
Wir zeigen es in unserer Klarheit, mit der wir gegen Hass und Vorurteile angehen, die andere an den Rand zu stellen,
in der Liebe, durch die wir in jedem von uns einen Volltreffer Gottes erkennen können.

wer es könnte,
sagt die Dichterin Hilde Domin,
wer es könnte,
die welt
hochwerfen
dass der wind
hindurchfährt
Gott hat es getan, an Pfingsten, mit seinem Geist.
Für uns.
Er hat die Welt hochgeworfen und den Wind der Liebe in die Herzen der Menschen strömen lassen.
Er tut es noch immer.
Gott hat durch Jesus Christus den Einfallswinkel so vergrößert, dass  der Wind seines Geistes alle erreichen, und alles erreichen kann.
Machen wir uns immer wieder Mut, abzuschütteln, was uns begrenzt,
wie Tom Anna Mut gemacht hat,
wie Paulus seine Gemeinden immer wieder aufrüttelt,
wie Gott uns am Pfingstfest auffordert:
Tanzt, tanzt auf den Straßen.
Werft die Welt hoch, dass der Wind meiner Gerechtigkeit hindurchfährt.
Amen.