Samstag, 7. März 2015

1 Kön 19 Elia Okuli 2015

Vorlage für die Predigt ist eine Predigt von Güntzel Schmidt. (http://bs.cyty.com/kirche-von-u…/…/fs90heintze/EliaPredigten.



Gnade sei mit euch und Friede, von dem, der da ist und der da war und der da kommt.

Die Bibel erzählt im 1 Buch der Könige:
König Ahab sagte seiner Frau Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte.

Er fürchtet sich.
Auf einmal.
Schon vorher gab es Grund genug.
Ein Steckbrief von König Ahab war im Umlauf:
„Findet diesen Propheten!  Die größte Hungersnot in Israel geht auf sein Konto!
Alle Welt suchte ihn.
Da hatte er keine Angst.
Sein Herz brannte vor Mitgefühl mit den Armen.
„Glaubt nicht an Götterbilder, die machen euch klein!“
Und Gott war mit ihm.
Elia schwamm auf der Welle der Gerechtigkeit
und die trug ihn, immer weiter, immer weiter.
Und setzte ihn ab auf dem Berg Karmel.
Verhalf ihm zum Erfolg, als er die Wette einging
und sein von Wasser getränktes Opfertier Feuer fing,
durch Flammen vom Himmel.
Elia hatte gewonnen!
Das Volk schrie vor Entsetzen und Angst:
Adonai hu ha-elohim! - Der Herr ist Gott!
Das wollte er erreichen, das Volk wieder auf den rechten Weg führen.
„Seht! Gott ist da gegen alle Macht.“
Die Welle der Kraft zieht sich zurück.
Es ist vollbracht.
Jetzt steht nur noch Elia da,
sieht in die blassen Gesichter der Baalspriester.
Die wissen, dass sie verloren haben,
seine Gegner, die gegen ihn gehetzt haben,
Handlanger von Isebel.
Und eine neue Welle kommt.
Die hat mit Gott nichts mehr zu tun und auch nicht mit Gerechtigkeit.
Eine Welle der Wut und der Rachsucht und der Gewalt.
Elia steigt auf diese Welle und reitet auf ihr.
Spürt den Zorn in die Augen steigen, seinen Kopf füllen bis zum Platzen.
Sein Herz schweigt,
bis alle 450 Baalspriester ermordet in ihrem Blut liegen.
Doch dann?
Stille.
Die Kraft ist weg.
Totenstille, in die sich die Frage vorwagt:
Was habe ich da getan?
Und schon Stunden später
die Stimme des mutigen Boten der Königin Isebel,
der ihm trotz der Spuren der Gewalt vor seinen Augen von Isebel ausrichtet:

Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.
Elia aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach:
Es ist genug, so nimm nun, Gott, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.

Denn nun ist er allein.
Und spürt das.
Von allem, was in ihm brannte,
der Eifer für Gott und die Gerechtigkeit,
all das, was ihm die Kraft gegeben hat, Verfolgung auszuhalten
und Unrecht und Armut anzuprangern,
von all dem ist nichts geblieben.
Schwach ist er.
Und das Leben, um das er gerade noch gerannt ist,
rinnt aus ihm heraus wie aus einem undichten Fass.
Nichts spürt er mehr.
Keinen Gott, keine Kraft, keinen Sinn,
kein Ziel mehr vor Augen.
Er hat den Bogen überspannt und nun ist sein Arm lahm geworden.
Die mahnenden Stimmen und die Angst kann er nicht mehr abwehren.
Und Scham überkommt ihn.
Elia möchte sich verstecken, sich verkriechen.
Er sieht sich, wie er im Rausch der Gewalt Unschuldige ermordete.
In Massen ermordete, weil sie anders waren, Anderes wollten als er.
Elia hat das Andere, das Fremde, das Ungeheure auslöschen wollen
– und ist dabei selbst zum Ungeheuer geworden.
"Ich bin nicht besser als meine Väter", bekennt er.
Der Glaube an den Einen Gott und Gewalt gegen das Andere gehen nicht zusammen.
Er hat sie zusammengebracht und damit das Werk seines Lebens zerstört.
Dem kann er nicht standhalten.
Er will sich loswerden, will sterben.
Und damit vor der Einsicht fliehen, die er gerade erst gewonnen hat.
Gerade in seinem Wunsch zu sterben bleibt Elia ganz der Alte,
schwarz oder weiß, dazwischen gibt es nichts.
Vergebung, Umkehr, Einsicht.
Das hat er anderen nicht zugestanden und sich selber nun auch nicht.
Diese Worte sind aus seinem Vokabular gestrichen.
Er hat große Schuld auf sich geladen.
Unverzeihlich!
Er ist verdammt, wie er zuvor die anderen verdammt hat.

Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder.
Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss!
Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser.
Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.
Und der Engel Gottes kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach:
Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Wer das war, der Engel?
Ein Wanderer vielleicht,
der mit der Geste einer tröstenden Mutter ihm Brot hinlegt  und Wasser
und kurze Worte sagt:
Iss. Steh auf. Geh weiter.
Kurze Worte, die aber den tödlichen Kreislauf von Elias Gedanken um Schuld und Sterben durchbrechen.
Kraft kommt.
Nicht viel, aber es reicht zum Aufstehen.
Es reicht, um den Kopf zu heben.
Es reicht, um Gott unter die Augen zu treten und den Schuldspruch zu hören,
den Elia erwartet.

Aber was da kommt, auf dem Horeb ist eine kleine Privatinszenierung für Elia,
der verborgen in einer Höhle sitzt und hinausschaut auf die Darbietungen.  
Gott konfrontiert Elia mit dessen entfesselter Wut im Sturm,
seinem bebenden Hass im Erdbeben,  
seiner zerstörerischen Kraft der Gewalt im Feuer.
Und sagt Nein zu alldem.
Klar und deutlich.
Elia kann ihm nur rechtgeben.

Und dann?

Ein stilles, sanftes Sausen.

Kol demamah dakah auf Hebräisch.
Stimme eines leisen Hauchs.

Wie klingt ein leiser Lufthauch?
Überhaupt nicht.

Stille.

Ein leiser Lufthauch,
auf der Wange oder der Schläfe zu spüren.
Dort, wohin eine Mutter ihr Kind küsst
oder die Geliebte den Geliebten.

Kein Donnerwetter.
Nur Stille: Die Ruhe nach dem Sturm.
Ruhe, um die Augen zu öffnen.
Und der Wahrheit über sich selbst ins Auge zu sehen
unter Gottes liebevollen Augen,
in Gottes freundlicher Gegenwart.

Elia tritt vor die Höhle.
Der leise Hauch geht vorüber.
Gott spricht zu Elia.
Und Elia lässt die Gelegenheit verstreichen.
Keine Einsicht.
Er rechtfertigt sich selbst:
"Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth".
Er will die furchtbare Tat entschuldigen,
er will nicht wahrhaben, dass er ganz und gar auf den falschen Weg geraten ist.
Die Stimme des leisen Hauches bekommt keine Chance.
Sie verweht, die Chance ist vertan.
Gott hat um Raum gebeten,
Raum, um seine Symphonie der Liebe und Güte zu spielen,
die das Andere aushält, ohne ihm rechtzugeben und ohne es zu vernichten.
Raum für Umkehr und Vergebung und Einsicht.

Elia hat diesen Raum nicht betreten.
Gott wird einen anderen wählen:
Elisa wird seine Stimme werden.
Elias Karriere ist zu Ende.
Sein Weg mit Gott jedoch nicht.
Trotz allem lässt Gott Elia nicht fallen.
Ein Feuerwagen wird kommen und ihn in eine Welt führen,
in der er Ruhe finden wird für seine Seele.

Wo bist du, Gott?
Warum sagst du nichts?
Warum überlässt du mich dem Unrecht, der Gewalt,
die meine Wut weckt, meinen Zorn, meinen Hass?
Warum kein Feuer mehr vom Himmel,
damit die  Gewalt und das Unrecht zurückweichen und Menschen dich preisen?
Alle Menschen!

Kein Weg, sagt Gott, kein Weg für mich.
Einmal habe ich Feuer vom Himmel geschickt
und du weißt, was das ausgelöst hat.

Wo bist du Gott,
wenn alles zu viel wird und ich verzweifle,
wenn ich nicht aushalte, was ich sehe und ersticke am Mitgefühl,
wenn ich unter allen Wegen keinen Weg für mich sehe und meine Kraft sich zurückzieht?

Sei still, sagt Gott,
höre,
lass das leise Summen meiner Freude deine Füße bewegen,
spüre,
lerne, auf den Lufthauch meiner Liebe zu vertrauen,
schaue,
auf den Weg der Sanftheit und Güte.

Es gab einen, der ist diesen Weg gegangen,
brennendes Mitgefühl und Sehnsucht nach Gerechtigkeit im Herzen.
Der hörte und spürte und sah und forderte alle Welt auf,
ihm zu folgen.
Der kniete im Garten Gethsemane im Dunkel,
die Gewalt und seine Verfolger im Nacken,
und gab mir dennoch Raum,
dass ich ihn mit dem sanften Flügel meines Lebenshauchs berühren konnte.
Der schaffte den dritten Weg zwischen wütender Empörung und Resignation,
blieb klar in seinen Worten,
hielt an der Liebe fest,
vergab seinen Feinden,
hatte die Kraft, den Weg bis zu seinem Ende zu gehen.
Und gab mir Raum vom Leben zu sprechen, als alles schwieg.

Und du?
Steh auf. Iss. Geh weiter.
Gib mir Raum,
spüre den Hauch meines Lebens,
und dann wähle deinen Weg.

Amen.