Samstag, 26. März 2016

Predigt über Josef von Arimithea und die Frechheit und das Osterlachen. Osternacht 2016 mit Konfirmandentaufen



Wer wagt es?
Josef von Arimethea wagt es.
Er fasst sich ein Herz.
Geht zu Pilatus, dem Römer, bekannt für Grausamkeit und schnelle Todesurteile.
Gib uns bitte den Leichnam, dass wir ihn begraben, fordert er.
Josef wagt viel.
Interesse für einen, der als Aufrührer hingerichtet wurde, am Kreuz?
Da hängt einer ganz schnell daneben.
Aber Josef hört auf sein Herz und auf das, was Jesus dort hineingelegt hat:
Reich Gottes,
grünes Hoffen auf eine helle Weite,
friedlicher Starrsinn: Alle Menschen werden Brüder, Schwestern.
Alle? Alle.
Josef findet sich nicht ab.
Frech ist er.
Nicht kindlich trotzig.
Frech.
Ungezähmt, kühn, dreist.
Das lasse ich nicht zu.
Jesus wird nicht verscharrt wie ein Verbrecher.
Ein Grab soll er haben, wenigstens das.
Und Josef kommt damit durch.
Frech, so wird auch Pilatus gedacht haben.
Aber da ist eine Lücke in dem klaren: Wer gegen mich ist, stirbt.
Vielleicht ist Pilatus müde.
Vielleicht auch verdutzt über diesen Mut, dieses dreiste: Bitte gib ihn uns.
Die Frechheit schlüpft in diese Lücke, macht sich breit.
Pilatus gibt nach.
Mehr als ein „Meinetwegen“ wird es nicht gewesen sein.
Keine große Einsicht. Keine Reue.
Aber diese Lücke reicht.
Gott nutzt diese Lücke und macht daraus eine der großartigsten Geschichten der Welt.

Wer wagt es?
Mit Josef nimmt die Ostergeschichte ihren Anfang.
Es gibt ein Grab.
Und es gibt Mut, Frechheit.
Ein Lachen. Manchmal ist es so einfach.
Zwei Frauen lassen sich anstecken, wagen es ebenfalls.
Gehen zum Grab.
Wagen es sich zu zeigen als Frauen, die zu Jesus gehören.
Sie gehen hin am frühen Morgen,
Aufruhr in den Herzen.
Gesalbt soll er werden, wenigstens das.
Stein hin, Stein her.
Umgezähmt, kühn, dreist.
Trotz der Trauer.
Sie sehen: Der Stein ist weg. Der Tod ist weg.
Soviel Raum zum Leben.
Schwindelerregende Weite nach soviel Enge.
Ein großer Schrecken.
Sie rennen weg, rennen und rennen.
Zuerst.
Aber dann:
Ein Lachen. Das Osterlachen.
Ein freches, ungezähmtes, kühnes Lachen.
Den Tod auslachen mit dem Auferstandenen im Rücken.
Da wird der Kopf leicht und klar.
Das Herz erholt sich.
Der Atem fließt frei.
Die Welt ist wieder offen.
Und der Mut kommt zurück, leicht wie ein Feder,
sucht Lücken in Gewalt und dem „Das bleibt doch immer so“
und macht daraus mit Gottes Hilfe Raum.
Raum für zartes Mitgefühl,
Raum für Undenkbares,
Raum für Selbstvertrauen: Der Friede, der Friede geht auch von mir aus.
Osterlachen, dem Tod ins Gesicht lachen,
weil Gott da ist und immer wieder Lücken
für ungezähmte, kühne, dreiste Botinnen und Boten der Liebe bietet. 

Wer wagt es?
Martin Luther war einer diesen,
der eine Lücke fand und aus dieser Lücke eine Geschichte ins Laufen brachte,
die ihn erschreckt hat. Sehr.
Aber dann fand er zum Lachen zurück, und es wird gesagt, dass er an Ostern wie im Mittelalter üblich, Witze erzählte.
Auch den, den ich so ungefähr weitergebe:
Josef von Arimitea kommt nach Hause und berichtet seiner Frau von seiner Heldentat. Die applaudiert nicht, sondern schimpft und zetert: „Das Grab war für uns gedacht. Wo finden wir den noch einmal so ein schönes Felsengrab?!“ Josef entgegnete: „Schatz, reg dich nicht auf. Er braucht es nur über das Wochenende.“


Wer wagt es den Tod auszulachen?
Gerade in diesen Tagen, die so brutal den Tod gezeigt haben?
Wir wagen es.
Wir lassen uns nicht auf die Spur von Gewalt und Terror setzen,
nicht auf die Spur von Angst und Misstrauen.
Wir sind getauft auf Jesu Namen und hören auf das, was Gott in unser Herz gelegt hat,
das grüne Hoffen auf eine helle Weite,
den friedlichen Starrsinn Jesu: Alle Menschen werden Brüder, Schwestern. Alle? Alle.
Sucht die Lücken und macht euch breit in ihnen.
Stimmt ein in Gottes fröhliche Frechheit und antwortet, wenn eine ruft.
Der Herr ist auferstanden!
Gemeinde: Er ist wahrhaftig auferstanden.
Amen





Donnerstag, 24. März 2016

2 Kor 5 Karfreitag 2016


I.              Karfreitag 1
Ein Bild wird heute gemalt,
ein Bild, an dem wir heute nicht vorbei kommen.
Ein Kreuzigungsbild.
Nehmen Sie sich doch das Liedblatt und schauen auf Chagalls „Weiße Kreuzigung“, die er 1938 malte,
seine Wut und Verzweiflung malte über das, was man seinem Volk antat.
Ein Bild, ein Kreuzigungsbild.
Wir sehen hin und können nicht wegsehen.
Kein Ausweichen möglich. Nicht erlaubt.
Karfreitag.
Ein kalter Tag.  Ein lauter Tag.
Gott schaltet das warme Licht aus,  schickt Schatten über die Sonne.
Gott schaltet den Ton an und es wird laut.
Kaltes Licht und harte Töne.
Im kalten Licht sehen wir Feuer, das aus zerbombten Häusern schlägt.
Menschen bluten, rennen, flüchten,
versuchen ihr Liebstes zu retten, die Thora, das Kind, ihr Leben.
Gewalt, nicht aufzuhalten.
Das Leben zersplittert. Unbarmherzig.
Auf dem Flughafen, in der U-Bahn in Brüssel.
Auf den Einkaufsstraßen in Istanbul.
Auf den letzten noch intakten Straßen Aleppos.
Am Kreuz von Golgatha.
Ein heller Strahl trifft im Bild den Mann am Kreuz.
Alle sehen es: Er erlebt all das Leid am eigenen Leib.
Oh Haupt voll Blut und Wunden.
Nackte Brutalität. Kaltes Licht.
Das Weinen der Opfer, das Stöhnen der Verwundeten hört man kaum.
Statt dessen laute, harte Töne.
Der Schrei aus vielen Kehlen:
Kreuzige ihn, den wir vorhin in der Matthäuspassion gehört haben.
Eindringlich. Laut. Aggressiv.
Keine Güte, kein Mitleid.
Niemand wechselt auf die Seite des sanften Opfers.
Laut hören wir den Spott und Hohn der römischen Soldaten, als sie ihn folterten und dann antrieben auf dem Weg nach Golgatha.
Das Gebrüll deutscher SS-Leute an der Rampe von Auschwitz:
Schneller, schneller.
Soldaten lästern und lachen laut, noch unter dem Kreuz.
Schlagstöcke treffen auf flüchtende Menschen, am Zaun von Idumeni.
Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben und dem Tod ins Auge sehen müssen,
rechts und links neben Jesus am Kreuz,
auch sie höhnen.
Keine Güte, kein Mitleid.
Niemand wechselt die Seiten. Die Härte bleibt.
Selbst am Grab Jesu erscheinen Soldaten,
wachen darüber, dass nichts Lebendiges aus dem Tod entstehe.
Und vertreiben mit ihrem Lärm die trauenden Frauen.

Wir sehen hin und können nicht ausweichen.
Es ist schwer, Leid zu ertragen oder hilflos mitanzusehen.
Soviel Verzweiflung und Wut.
Soviel schmerzhafte Trauer.
Soviel unbarmherzige Härte bei so vielen Menschen.
Und wir alle mit verstrickt in Schuld und Leid durch unser Leben in Europa auf Kosten anderer.
Wie kommen wir da raus? Was können wir tun?
Ich finde keine Antwort, die dem, was ich sehe, etwas entgegensetzen kann.
Es bleibt eine Frage:  
Wo ist Gott? Auf wessen Seite steht er eigentlich?
Steht er drüber, schwebt hilflos über dem Kreuz?
Wo ist Gott in dem kalten Licht,
wo seine Stimme zwischen all den unbarmherzigen Tönen?  

II. Seitenwechsel

Paulus, Paulus auf der Straße nach Damaskus.
Ohne Mitleid jagt er die Christinnen und Christen.
Sie haben nicht den richtigen Glauben.
Sie sind gefährlich für sein Volk.
Immer und immer wieder sorgen sie für Unruhe.
Er tut es für Gott, denkt er.
Dann plötzlich schaltet Gott für ihn das Licht an, das kalte, klare.
Und Paulus sieht, sieht hin.
Sieht Jesus,  blutend am Kreuz, der ihn fragt: Warum, Paulus, warum verfolgst du mich?
Paulus wird schwarz vor Augen. Kein Ausweichen möglich.
Nichts anderes darf Paulus sehen, nicht anderes,
bis er hingesehen hat,
ganz genau mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all seiner Kraft.
Was sieht er?
Er sieht Gott, Gott am Kreuz. Ein Ärgernis, ein Schlag ins Gesicht.
Hier ist keine Rede von Vergeben und Vergessen.
Die Karten liegen offen auf den Tisch.
Gott schreit, Gott streckt die Hände flehend nach ihm aus:
Warum verfolgst du mich? Komm auf meine Seite.  
Nie hat Paulus das vergessen.
Diesen Gott auf Knien, der ihn anfleht:
Werde mein Partner, wechsele die Seiten,
komm auf die Seite der Opfer, auf die Seite des Kreuzes.
Nie hat er das vergessen, diesen Gott, der Verzweiflung aushält,
den Spott und Hohn, die Gewalt.
Und alle Welt zwingt, hinzusehen.

Und Paulus schreibt im 2. Korintherbrief:
19 Ja, in der Person von Christus hat Gott die Welt mit sich versöhnt,
sodass er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnet;
und uns hat er die Aufgabe anvertraut, diese Versöhnungsbotschaft zu verkünden.
20 Deshalb treten wir im Auftrag von Christus als seine Gesandten auf;
Gott selbst ist es, der die Menschen durch uns zur Umkehr ruft.
Wir bitten im Namen von Christus:
Nehmt die Versöhnung an, die Gott euch anbietet!
21 Den, der ohne jede Sünde war, hat Gott für uns zur Sünde gemacht,
damit wir durch die Verbindung mit ihm die Gerechtigkeit bekommen,
mit der wir vor Gott bestehen können.

III: Lasst euch versöhnen
Versöhnung. Es geht um Versöhnung.
Nicht um Vergeben und vergessen.
Nicht um Schwamm drüber, wir fangen einfach neu an.
Gott bietet Versöhnung an.
Die Karten liegen auf dem Tisch. Offen. Kein Joker.
Keine Hintertür für Rechtfertigung.
Nur so geht es. Nur so glauben wir, dass es ernst gemeint ist.
Versöhnen geht nicht aus der Ferne.
Das kann ich nur, wenn ich mich ganz hinein begebe.
Da braucht es Empathie.
Ich nehme dem andern seinen Willen zu Versöhnung nur ab, wenn ich spüre, dass er meine Lage wahrnimmt.
Spürt, wo ich verletzt bin,
meine Wut und meine Schmerzen aushält,
wenn er sich hinein fühlt in mein Leiden und auch in mein Unvermögen, bei der Liebe zu bleiben.
Dann spüre ich, dass der andere es ernst meint.
Das hat Gott getan.
Unser Leid und unsere Gewalt ernstgenommen,
unsere Kraft und unsere Schwäche.
Gott blickt  den harten Tatsachen ins Gesicht. Er hält das aus.
Und so können wir das glauben:
Gott sucht tatsächlich uns als Partner.
Und nichts anderes hat Jesus in seinem Auftrag getan:
Gottes Flehen weitergegeben: Kommt, kehrt um, das Reich ist so nahe.
Jesus, so unerträglich in seinem Friedensweg, in seiner Nächstenliebe, dass keiner es ohne Hilfe schafft, so zu leben.
Gott weiß aus langer Erfahrung, dass wir das nicht alleine schaffen, diese Umkehr von Unrecht und Gewalt.
Es bekümmert ihn zutiefst.
Er sieht das Unrecht in den gewaltsamen Toden.
Er hört Unrecht und Gewalt in unserer Sprache, wenn wir andere verurteilen, lästern
oder in der Lautstärke unseres Schweigens angesichts von Trauer und Not.
Er spürt es in der Härte unserer Herzen,  die uns, seien wir ehrlich, immer wieder erwischt,
in unserer Wut,
unserer Angst um unsere eigenes, wenn zu viele vor uns die Hände aufhalten.
Unrecht zieht sich durch unsere Geschichte.
Warum sollte Gott uns glauben, wenn wir versichern: Wir ändern uns.
Und so schaltet er das Licht an. Für uns.
Das kalte, klare. An dem Tag auf Golgatha.
Und zwingt uns hinzusehen.
Und das schaffen wir: Das Hinsehen.
Das Zuhören, das kriegen wir hin.
Heute. Am Karfreitag.
Wir hören Jesu Schrei am Kreuz,
der mit dem letzten Atemzug Gott bekennt, als seinen einzigen Trost, seine Kraft  in Leid und Tod.
Diesen Schrei hat Gott sich zu eigen gemacht, ihn wiederholt, immer wieder.
Paulus ist darauf eingegangen.
Er hat die Seiten gewechselt mit seinem ganzen Leben.
Er hat Gott ertragen.
Gott schreiend.
Gott auf Knien.
Gott, der bittet, fleht: Lasst euch versöhnen. Wechselt die Seiten.

Gott selbst ist es, sagt Paulus,
Gott selbst ist es, der die Menschen durch uns zur Umkehr ruft.
Wir bitten im Namen von Christus:
Nehmt die Versöhnung an, die Gott euch anbietet!

IV Karfreitag 2
Karfreitag.
Gott schreit.
Gott sieht uns an, aus den Augen des Menschen am Kreuz,
aus den Augen von gefolterten, getöteten und vertriebenen Menschen.
Keiner von uns, behaupte ich, schafft es wie Jesus ganz und gar auf der Seite Gottes zu leben.
Immer wieder holt die Angst uns ein.
Und die Wut. Und die Selbstsucht.
Und die Gewalt in Wort und Tat.
Immer wieder brauchen wir es, dass Gott genau weiß, wie Leid und Angst sich anfühlen und uns dennoch die Hand hinhält.
 Sagt: Komm, Partner. Auf ein Neues.
Ich biete dir Versöhnung an und Leben auf den Wegen des Friedens.
Sei mein Bote, sei meine Botin.

Doch soweit sind wir heute noch nicht, am Karfreitag.
Noch schweigt Gott.
Hat sich ausgeschrien am Kreuz.
Hat sich in unser Herz geschrieen mit dem Leid der ganzen Welt.
Wird schweigen müssen, drei Tage lang, bis er wieder zu seiner Stimme findet.
Will, dass wir die Stille nutzen, hinsehen auf das Leid vergangener und heutiger Tage,
und uns Umkehr wünschen von ganzem Herzen,
wünschen auf seiner Seite leben wollen, aus ganzer Seele
und mit all unserer Kraft andere auffordern:
Lasst euch versöhnen mit Gott.
Geht den Weg seines Friedens und seiner Gerechtigkeit.
Nehmt die ausgestreckte Hand Gottes und schlagt ein, greift zu.
Gott kann euch nicht zwingen, er kann euch nur bitten.
Amen