Exodus 34, 29- 35 (Neuer Text in der neuen Perikopenordnung,
Reihe IV
mit Anregungen von Michael Greßler
mit Anregungen von Michael Greßler
(Zentrum für Ev. Predigtkultur, Facebook und der http://www.hagalil.com Seite und den
dortigen Thoraauslegungen)
Sie wollten frei sein.
Deshalb waren sie
aufgebrochen.
Mose hatte gesagt:
Das ist ein elendes
Leben, das Leben als Sklavinnen und Sklaven.
Sie hatten genickt.
Schön war das wirklich
nicht.
Auch wenn sie nichts
anderes kannten.
Bisher hatten die
Fleischtöpfe in Ägypten dafür gesorgt, dass Visionen vom freien Leben flach
gehalten wurde.
Aber Mose hatte es
geschafft.
Das Brennen des
Dornbusches in den Augen redete er zu ihnen von einem Land der Freien,
Milch und Honig,
Würde und Selbstachtung,
und von dem Gott, der
sie über sich selbst hinaus führen würde allen Pharaonen zum Trotz.
Sie hatten genickt:
Das klingt gut. Wer will
schon Sklave sein?
Und sie folgten ihm.
Den Weg durch das Meer,
den Weg durch Angst und
Freude über die Rettung,
den Weg in die Wüste,
den Weg durch Hunger und
Durst,
den Weg zum Berg, der
das Denken der Menschheit verändern sollte.
Und Mose stieg auf den
Berg und hörte dort, wie Gott für alle Menschen dasselbe Recht verkündete.
Egal ob Herrscher oder
Knecht:
alle auf Augenhöhe
miteinander,
alle werden gemessen an
Gottes Gerechtigkeit.
Die Revolution der alten
Ordnung war das.
Die erste Verkündung der
Menschenrechte.
Mose war darauf
vorbereitet, seit er Ja zu der Stimme im Dornbusch gesagt hatte.
Aber das Volk?
Das Volk hatte den Weg
in die Freiheit mit den Füßen gemacht.
Aber auch mit dem
Herzen, mit dem Verstand?
Die Stimme des Donners,
die Wolke, die ihnen den Weg wies, verstanden sie nicht.
Mose musste übersetzen.
Aber Mose war ihnen
fremd.
Nicht einer der Ihren,
ungeduldig,
einem Bild nachjagend,
das nur er sehen konnte.
In ihren Herzen und
Köpfen tanzte noch die Stimme Ägyptens,
der Glanz des Goldes,
die Heiterkeit mancher
Abende am Fluss nach getaner Arbeit,
die Nachbarn sind da,
das Fleisch auf dem Feuer,
Gemüse und Obst von den
fruchtbaren Feldern des Nils,
die relative Sicherheit
eines Systems, das sie erhält, weil es sie braucht,
die Musik Ägyptens, die
ihre Fragen beschwichtigt,
Reklame für den
Gedanken:
Besser es bleibt, wie es
ist, wer weiß, was sonst kommt.
Der Jingle dazu: Ohne
Sorge, sei ohne Sorge.
Verschluck die Wut,
vergiss, was sein
könnte,
für dich, für die
anderen.
Tu, was man dir sag.
Nimm das Geld und frag
nicht.
Bau deine Hütte, bau
dein Haus.
Sorg für die Kinder.
Schau weg, wenn einer
weint.
Frag nicht, sorg dich
nicht.
Lass es laufen.
Was tun die Sklaven
dieser Reklame in der Wüste?
Sie bauen sich einen
Herrn, wie sie es in Ägypten gelernt haben.
Ein Standbild aus Gold,
damit der unsichtbare
Gott zumindest einen Ort hat
und sie etwas zum
Aufschauen, zum Anfassen,
etwas blendend Schönes,
endlich wieder etwas,
was sie sehen und verstehen,
die Sprache des Goldes,
die Sprache der Herrn.
Musikimprovisation (Eine
Mischung von heiler Welt und Dissonanzen)
(Ingeborg Bachmann im
Wechsel mit einer Reklamestimme lesen.
Gleich einsetzen nach
der Musik
Reklamestimme mit
Heilerweltmelodie begleiten)
Wohin aber
gehen wir
ohne
sorge sei ohne sorge
wenn es
dunkel und wenn es kalt wird
sei ohne
sorge
aber
mit
musik
was sollen
wir tun
heiter
und mit musik
und denken
heiter
angesichts
eines Endes
mit
musik
und wohin
tragen wir
am
besten
unsre
Fragen und den Schauer aller Jahre
in die
Traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge
was aber
geschieht
am
besten
wenn
Totenstille
eintritt
Die Musik erstirbt.
Totenstille, als Mose
zurückkehrt, nach 40 Tagen auf dem Berg,
in den Händen die Tafeln
mit der neuen Ordnung.
Totenstille, als er die
Tafeln voll Wut auf die Erde wirft,
das goldene Standbild
umstürzt.
Totenstille, in der die
Stimme Ägyptens keine Kraft mehr hat,
einfach verstummt,
und sie mit Entsetzen
erkennen, dass ihr Leben endet,
hier in der Wüste,
wenn der Traum vom
freien Volk endet.
Gott hat keinen Grund,
den Traum von Sicherheit und Gold zu fördern.
Totenstille, als Mose,
Wut und Verzweiflung im Gesicht,
wieder kehrtmacht
und zurück auf den Berg
geht
und mit Gott redet.
Mose erkennt: Ich bin
der Einzige, der sich wirklich geändert hat.
Die anderen hören auch
in der Wüste noch die Stimme Ägyptens,
die ewige Reklame für
das eigentlich Undenkbare,
dass Ungerechtigkeit und
Leid und Tod kein Ende nehmen werden,
diese Reklame für den
Rausch des Jetzt,
der die Fragen nach Leben und Gerechtigkeit
verdrängt.
Wie soll ein solches
Volk jemals die Regeln der Freiheit Gottes verstehen,
geschweige denn leben?
Wie sollen sie für die
Welt die Flagge der Gerechtigkeit hochhalten,
der Grund, warum Gott
sie erwählt hat?
Gott teilt die
Verzweiflung des Mose und gemeinsam arbeiten sie sich da raus,
können nicht ablassen
von der Hoffnung,
dass der Weg der Gebote
Gottes ein Weg der Menschen werden wird.
Und Gott sagte bei sich:
„Ich will, dass sie
sehen, wie ein freier Mensch aussieht,
wie er leuchtet,
welche Freude, welche
Erfüllung es bedeutet, meinen Weg zu gehen.“
Und so hören wir aus dem
2. Buch Mose, Kapitel 34:
Als Mose vom Berge Sinai
herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner
Hand und wusste nicht,
dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.
Als aber Aaron und ganz
Israel sahen, dass die Haut seines Angesichts
glänzte, fürchteten sie
sich, ihm zu nahen.
Orgelimprovisation zu
Gold (schon mal aufgeführt. Sehr beeindruckend.)
Da rief sie Mose und sie
wandten sich
wieder zu ihm, Aaron und
alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen.
Danach nahten sich ihm
auch alle Israeliten.
Und er gebot ihnen
alles, was Gott mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai.
Und als er dies alles
mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht.
Und wenn er hineinging
vor Gott, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und
wenn er heraus kam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war,
sahen die Israeliten,
wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein
Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.
Die Menschen fürchten
sich, als sie Mose im Glanz erblicken.
Sie spüren:
Dieser Glanz, das ist
der Abglanz der Herrlichkeit,
der unmittelbaren
Gegenwart Gottes.
Die befreit, ist Freude
und Befreiung,
aber die ist auch
schwer.
Nicht jeder kann sie
tragen.
Nicht jede kann sie
ertragen.
Wenn Gott mir direkt
begegnet, dann fällt meine dicke Haut ab,
mein Schutz gegen das
Außen.
Dann öffne ich die Augen
und öffne mein Herz und nichts bleibt mir verborgen.
Ich sehe alles, was sich
gegen Gottes Recht wendet und das schmerzt.
Wie soll ich die Stimmen
ertragen, wenn ich so schutzlos offen bin?
Du hörst eben alles.
Du hörst, wie sie
zweifeln, um die Fleischtöpfe Ägyptens jammern.
Du hörst das Wimmern der
Reklame:
Kauft, Leute, kauft und
denkt nicht nach,
vergesst die Träume. Sie
sind zu groß für euer Herz.
„Du hörst, wie sie in
den Häusern streiten.
Du hörst, wie sie
einander auslachen auf dem Schulhof.
Du hörst das böse
Getuschel hinter dem Rücken.
Du hörst Schüsse fallen.
Du hörst, wie Mütter um
ihre Söhne weinen.
Du hörst Stockschläge
auf blutenden Rücken.
Du hörst Hassgesänge auf
winterlichen Straßen.
Du hörst, wie Kranke
stöhnen.“ (Greßler)
Und du hast keinen
Schutz dagegen,
wie auch Gott sich nicht
schützt,
sondern hört, alles hört
und es sich nahe gehen lässt.
Mose hat sich ein Zelt
gebaut,
um sich nicht gleich
wieder in diesen Stimmen zu verlieren.
Er zieht sich eine Decke
über den Kopf, wenn er hinaus kommt.
Nicht nur um das Volk zu
schonen,
vor allem als Schutz
gegen die Stimmen, die ihn vom Berg herunterholen.
Auch Jesus ging auf den
Berg.
Nur dort konnte er dem
Glanz Gottes begegnen,
nur dort sein Herz ganz
und gar öffnen,
unter seinen Vertrauten,
in einem Moment der
Stille,
weit weg von dem Stimmen
der Welt,
im Einklang mit Gott.
Was wir brauchen?
Mutige Menschen, die es
wagen und zurücktreten in einen Ort der Stille und auf Gott hören.
Mutige Menschen, die es
wagen und den Gesang des Goldes abschalten.
Mutige Menschen, die es
wagen, auf die Stimme Gottes zu hören,
die sagt, immer wieder:
Ich bin der, auf den du
hören sollst, dein Gott, der dich aus Ägyptenland befreit hat, du sollst keine
anderen Götter haben neben mir.
Wir brauchen mutige
Menschen, die kein Volk brauchen,
auch keinen Gott, der
sie bestätigt in ihrer Lebensweise,
mutige Menschen, die
hinsehen.
Sie öffnen sich dem befreienden
Glanz Gottes
und, kaum vorstellbar
für uns,
sie sind befreit von der
Sorge um sich selber.
Die Zeit steht still.
Sie tragen Gott im Herzen und leuchten.
Und in die Stimmen der Welt hinein erheben sie ihre häufig so einsame Stimme
Sie tragen Gott im Herzen und leuchten.
Und in die Stimmen der Welt hinein erheben sie ihre häufig so einsame Stimme
und reden,
etwa so, wie es dieser
unbekannte Mensch aus Lateinamerika tut:
Ich will ein Bote der
Hoffnung sein;
Licht bringen in meinen
Augen,
leidenschaftliche Unruhe
in meinen schwachen Händen
und die belebende Kraft
Gottes in meinen Worten.
Ich will einer sein, der
Freiheit sät
unter den Menschen,
meinen Brüdern und Schwestern -
das Reich zu bauen auf
dieser Erde, dieser guten - und unserer!
Ich will den Frieden
ansagen
mit Füßen, die nicht
entweiht sind vom Gold.
Ich werde nicht gehen
auf den Wegen der Ungerechtigkeit.
ich werde mich nicht
abfinden mit der Unterdrückung der Ärmsten.
ich werde Kraft trinken
dort, wo das Volk trinkt,
und werde meinen Platz
haben, wo es ein menschliches Wesen gibt.
Mein Schweigen wird das
geheimnisvolle Schweigen sein, mit dem sich die Niedrigen dieser Erde ernähren.
Ich werde mein Herz
nicht verkaufen durch die Lüge;
niemals werde ich die
Wahrheit stumm machen.
ich werde sein wie das
Schweigen, das niemals bemerkt wird;
und doch empfindet es
zuinnerst
den Schmerz und die
Hoffnung eines jeden Menschen.
Glücklich der Mensch,
der so sein Lebens erbaut,
denn er wird geschmäht
und verfolgt werden von vielen.
Aber fest wird er
bleiben in seinem Herrn,
denn der Herr, sein
Gott, hat ihn gerufen von jeher.
(aus: Hermann Brandt,
Die Glut kommt von unten, 1981)
Machen wir uns
gegenseitig Mut,
laden wir Gottes Glanz
in unser Leben ein.
Leuchten ungeschützt.
Schicken die Worte von Gottes Gerechtigkeit in die Welt.
Schicken die Worte von Gottes Gerechtigkeit in die Welt.
Es ist einfach so:
Unsere Stimme wird
gebraucht.
Amen