Samstag, 24. Januar 2015

Exodus 34, 29- 35 (Neuer Text in der neuen Perikopenordnung, Reihe IV) Letzter Sonntag n. Epiphanias



Exodus 34, 29- 35 (Neuer Text in der neuen Perikopenordnung, Reihe IV
mit Anregungen von Michael Greßler

(Zentrum für Ev. Predigtkultur, Facebook und der http://www.hagalil.com Seite und den dortigen Thoraauslegungen)

Sie wollten frei sein.
Deshalb waren sie aufgebrochen.
Mose hatte gesagt:
Das ist ein elendes Leben, das Leben als Sklavinnen und Sklaven.
Sie hatten genickt.
Schön war das wirklich nicht.
Auch wenn sie nichts anderes kannten.
Bisher hatten die Fleischtöpfe in Ägypten dafür gesorgt, dass Visionen vom freien Leben flach gehalten wurde.

Aber Mose hatte es geschafft.
Das Brennen des Dornbusches in den Augen redete er zu ihnen von einem Land der Freien,
Milch und Honig,
Würde und Selbstachtung,
und von dem Gott, der sie über sich selbst hinaus führen würde allen Pharaonen zum Trotz.

Sie hatten genickt:
Das klingt gut. Wer will schon Sklave sein?
Und sie folgten ihm.
Den Weg durch das Meer,
den Weg durch Angst und Freude über die Rettung,
den Weg in die Wüste,
den Weg durch Hunger und Durst,
den Weg zum Berg, der das Denken der Menschheit verändern sollte.

Und Mose stieg auf den Berg und hörte dort, wie Gott für alle Menschen dasselbe Recht verkündete.
Egal ob Herrscher oder Knecht:
alle auf Augenhöhe miteinander,
alle werden gemessen an Gottes Gerechtigkeit.
Die Revolution der alten Ordnung war das.
Die erste Verkündung der Menschenrechte.
Mose war darauf vorbereitet, seit er Ja zu der Stimme im Dornbusch gesagt hatte.

Aber das Volk?
Das Volk hatte den Weg in die Freiheit mit den Füßen gemacht.
Aber auch mit dem Herzen, mit dem Verstand?
Die Stimme des Donners, die Wolke, die ihnen den Weg wies, verstanden sie nicht.
Mose musste übersetzen.
Aber Mose war ihnen fremd.
Nicht einer der Ihren,
ungeduldig,
einem Bild nachjagend, das nur er sehen konnte.

In ihren Herzen und Köpfen tanzte noch die Stimme Ägyptens,
der Glanz des Goldes,
die Heiterkeit mancher Abende am Fluss nach getaner Arbeit,
die Nachbarn sind da, das Fleisch auf dem Feuer,
Gemüse und Obst von den fruchtbaren Feldern des Nils,
die relative Sicherheit eines Systems, das sie erhält, weil es sie braucht,
die Musik Ägyptens, die ihre Fragen beschwichtigt,
Reklame für den Gedanken:
Besser es bleibt, wie es ist, wer weiß, was sonst kommt.

Der Jingle dazu: Ohne Sorge, sei ohne Sorge.
Verschluck die Wut,
vergiss, was sein könnte,
für dich, für die anderen.
Tu, was man dir sag.
Nimm das Geld und frag nicht.
Bau deine Hütte, bau dein Haus.
Sorg für die Kinder.
Schau weg, wenn einer weint.
Frag nicht, sorg dich nicht.
Lass es laufen.

Was tun die Sklaven dieser Reklame in der Wüste?
Sie bauen sich einen Herrn, wie sie es in Ägypten gelernt haben.
Ein Standbild aus Gold,
damit der unsichtbare Gott zumindest einen Ort hat
und sie etwas zum Aufschauen, zum Anfassen,
etwas blendend Schönes,
endlich wieder etwas, was sie sehen und verstehen,
die Sprache des Goldes,
die Sprache der Herrn.

Musikimprovisation (Eine Mischung von heiler Welt und Dissonanzen)

(Ingeborg Bachmann im Wechsel mit einer Reklamestimme lesen.
Gleich einsetzen nach der Musik
Reklamestimme mit Heilerweltmelodie begleiten)

Wohin aber gehen wir
ohne sorge sei ohne sorge
wenn es dunkel und wenn es kalt wird
sei ohne sorge
aber
mit musik
was sollen wir tun
heiter und mit musik
und denken
heiter
angesichts eines Endes
mit musik
und wohin tragen wir
am besten
unsre Fragen und den Schauer aller Jahre
in die Traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge
was aber geschieht
am besten
wenn Totenstille

eintritt

Die Musik erstirbt.
Totenstille, als Mose zurückkehrt, nach 40 Tagen auf dem Berg,
in den Händen die Tafeln mit der neuen Ordnung.
Totenstille, als er die Tafeln voll Wut auf die Erde wirft,
das goldene Standbild umstürzt.
Totenstille, in der die Stimme Ägyptens keine Kraft mehr hat,
einfach verstummt,
und sie mit Entsetzen erkennen, dass ihr Leben endet,
hier in der Wüste,
wenn der Traum vom freien Volk endet.
Gott hat keinen Grund, den Traum von Sicherheit und Gold zu fördern.
Totenstille, als Mose, Wut und Verzweiflung im Gesicht,
wieder kehrtmacht
und zurück auf den Berg geht
und mit Gott redet.

Mose erkennt: Ich bin der Einzige, der sich wirklich geändert hat.
Die anderen hören auch in der Wüste noch die Stimme Ägyptens,
die ewige Reklame für das eigentlich Undenkbare,
dass Ungerechtigkeit und Leid und Tod kein Ende nehmen werden,
diese Reklame für den Rausch des Jetzt,
der die  Fragen nach Leben und Gerechtigkeit verdrängt.
Wie soll ein solches Volk jemals die Regeln der Freiheit Gottes verstehen,
geschweige denn leben?
Wie sollen sie für die Welt die Flagge der Gerechtigkeit hochhalten,
der Grund, warum Gott sie erwählt hat?
Gott teilt die Verzweiflung des Mose und gemeinsam arbeiten sie sich da raus,
können nicht ablassen von der Hoffnung,
dass der Weg der Gebote Gottes ein Weg der Menschen werden wird.
Und Gott sagte bei sich:
„Ich will, dass sie sehen, wie ein freier Mensch aussieht,
wie er leuchtet,
welche Freude, welche Erfüllung es bedeutet, meinen Weg zu gehen.“


Und so hören wir aus dem 2. Buch Mose, Kapitel  34:
Als Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner
Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.
Als aber Aaron und ganz Israel sahen, dass die Haut seines Angesichts
glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen.

Orgelimprovisation zu Gold (schon mal aufgeführt. Sehr beeindruckend.)

Da rief sie Mose und sie wandten sich
wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen.
Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten.
Und er gebot ihnen alles, was Gott mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai.
Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht.
Und wenn er hineinging vor Gott, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er heraus kam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war,
sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

Die Menschen fürchten sich, als sie Mose im Glanz erblicken.
Sie spüren:
Dieser Glanz, das ist der Abglanz der Herrlichkeit,
der unmittelbaren Gegenwart Gottes.
Die befreit, ist Freude und Befreiung,
aber die ist auch schwer.
Nicht jeder kann sie tragen.
Nicht jede kann sie ertragen.
Wenn Gott mir direkt begegnet, dann fällt meine dicke Haut ab,
mein Schutz gegen das Außen.
Dann öffne ich die Augen und öffne mein Herz und nichts bleibt mir verborgen.
Ich sehe alles, was sich gegen Gottes Recht wendet und das schmerzt.
Wie soll ich die Stimmen ertragen, wenn ich so schutzlos offen bin?

Du hörst eben alles.
Du hörst, wie sie zweifeln, um die Fleischtöpfe Ägyptens jammern.
Du hörst das Wimmern der Reklame:
Kauft, Leute, kauft und denkt nicht nach,
vergesst die Träume. Sie sind zu groß für euer Herz.
„Du hörst, wie sie in den Häusern streiten.
Du hörst, wie sie einander auslachen auf dem Schulhof.
Du hörst das böse Getuschel hinter dem Rücken.
Du hörst Schüsse fallen.
Du hörst, wie Mütter um ihre Söhne weinen.
Du hörst Stockschläge auf blutenden Rücken.
Du hörst Hassgesänge auf winterlichen Straßen.
Du hörst, wie Kranke stöhnen.“ (Greßler)
Und du hast keinen Schutz dagegen,
wie auch Gott sich nicht schützt,
sondern hört, alles hört und es sich nahe gehen lässt.

Mose hat sich ein Zelt gebaut,
um sich nicht gleich wieder in diesen Stimmen zu verlieren.
Er zieht sich eine Decke über den Kopf, wenn er hinaus kommt.
Nicht nur um das Volk zu schonen,
vor allem als Schutz gegen die Stimmen, die ihn vom Berg herunterholen.
Auch Jesus ging auf den Berg.
Nur dort konnte er dem Glanz Gottes begegnen,
nur dort sein Herz ganz und gar öffnen,
unter seinen Vertrauten,
in einem Moment der Stille,
weit weg von dem Stimmen der Welt,
im Einklang mit Gott.

Was wir brauchen?
Mutige Menschen, die es wagen und zurücktreten in einen Ort der Stille und auf Gott hören.
Mutige Menschen, die es wagen und den Gesang des Goldes abschalten.
Mutige Menschen, die es wagen, auf die Stimme Gottes zu hören,
die sagt, immer wieder:
Ich bin der, auf den du hören sollst, dein Gott, der dich aus Ägyptenland befreit hat, du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Wir brauchen mutige Menschen, die kein Volk brauchen,
auch keinen Gott, der sie bestätigt in ihrer Lebensweise,
mutige Menschen, die hinsehen.

Sie öffnen sich dem befreienden Glanz Gottes
und, kaum vorstellbar für uns,
sie sind befreit von der Sorge um sich selber.
Die Zeit steht still.
Sie tragen Gott im Herzen und leuchten.
Und in die Stimmen der Welt hinein erheben sie ihre häufig so einsame Stimme
und reden,
etwa so, wie es dieser unbekannte Mensch aus Lateinamerika tut:

Ich will ein Bote der Hoffnung sein;
Licht bringen in meinen Augen,
leidenschaftliche Unruhe in meinen schwachen Händen
und die belebende Kraft Gottes in meinen Worten.
Ich will einer sein, der Freiheit sät
unter den Menschen, meinen Brüdern und Schwestern -
das Reich zu bauen auf dieser Erde, dieser guten - und unserer!
Ich will den Frieden ansagen
mit Füßen, die nicht entweiht sind vom Gold.
Ich werde nicht gehen auf den Wegen der Ungerechtigkeit.
ich werde mich nicht abfinden mit der Unterdrückung der Ärmsten.
ich werde Kraft trinken dort, wo das Volk trinkt,
und werde meinen Platz haben, wo es ein menschliches Wesen gibt.
Mein Schweigen wird das geheimnisvolle Schweigen sein, mit dem sich die Niedrigen dieser Erde ernähren.
Ich werde mein Herz nicht verkaufen durch die Lüge;
niemals werde ich die Wahrheit stumm machen.
ich werde sein wie das Schweigen, das niemals bemerkt wird;
und doch empfindet es zuinnerst
den Schmerz und die Hoffnung eines jeden Menschen.
Glücklich der Mensch, der so sein Lebens erbaut,
denn er wird geschmäht und verfolgt werden von vielen.
Aber fest wird er bleiben in seinem Herrn,
denn der Herr, sein Gott, hat ihn gerufen von jeher.
(aus: Hermann Brandt, Die Glut kommt von unten, 1981)

Machen wir uns gegenseitig Mut,
laden wir Gottes Glanz in unser Leben ein.
Leuchten ungeschützt.
Schicken die Worte von Gottes Gerechtigkeit in die Welt.
Es ist einfach so:
Unsere Stimme wird gebraucht.
Amen

Samstag, 17. Januar 2015

1 Kor 2, 1-10. 2. Sonntag n. Epiphanias


Gnade sei mit euch und Friede von dem der da ist und der da war und der da kommt.

Die lachen.
Sie lachen über ihn.
Er hat geredet und das  kann er nicht gut.
Stotternd hat er von Jesu Kreuz gestammelt.
Sie haben amüsiert die Augenbrauen hochgezogen und gelächelt.

Ja, ja, Paulus, das Kreuz, wissen wir.
Brauchen wir aber nicht so zu betonen.
Das Kreuz, mein Lieber, das macht die Römer hellhörig.
Wir verehren einen, der von ihnen verurteilt wurde?
Das kommt nicht gut.
Auferstehung!, Paulus,
Weisheit, Glaube, Gott!
Das wollen wir hören.
Mach uns Hoffnung, erbaue uns.

„Aber...“, stottert Paulus, und schon wieder ist Leere in seinem Hirn.
Und Wut rumort im Bauch.
Was bilden die sich ein, die hier in Korinth,
dass sie sich ihm so überlegen fühlen?
Sie kennen sich aus hier, na gut.
Sie sind nicht arm,
einige sind sogar reich.
Sie kennen sich auch aus in der Philosophie der Zeit,
können mitreden.
Und sie haben sich für die christliche Gemeinde entschieden.
Das muss man anerkennen.
Sie sind hier,
weil sie Antworten auf Lebensfragen suchen.
Weil sie die Ungerechtigkeit der Welt spüren und sich zu Herzen gehen lassen.
Sie sitzen zusammen mit den Sklaven und Armen.

Paulus hat das Evangelium nach Korinth gebracht.
Man hat es ihm abgenommen.
Danke, Paulus, das ist gut,
aber den Rest kriegen wir schon selber hin.

Paulus reist wieder ab, fährt nach Philippi,
die Gemeinde, in der er sich zu Hause fühlt,
Menschen, die ihn schätzen und nicht verlachen.
Er schreibt einen Brief.
Und stellt sich die Gesichter vor in der Gemeindeversammlung von Korinth,
wenn er verlesen wird, wie alle seine Briefe.
Und findet sein Lächeln wieder, das ihm beim Lachen der anderen vergangen ist.
Er weiß wieder, wessen Bote er ist und welche Botschaft er weiter zu geben hat.  
Er hat den Blick Gottes auf die Welt wieder klar vor Augen.
Und er schreibt im 1 Korintherbrief im 2. Kapitel:
Liebe Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen!“

Sie werden grinsen, denkt Paulus, aber sie werden aufhorchen. Geheimnis Gottes, das macht sie neugierig und er schreibt weiter:

Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten. Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;
4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft,
5 damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

Weisheit, Paulus, werden sie denken, bleib bei der Weisheit und der Kraft. Klingt gut.
Und rede dich nicht raus, dass Gott Stotterer braucht für seine Botschaft. 
Paulus lächelt wieder und holt aus:

6 Wovon wir aber reden, das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen.
7 Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit,
8 die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
9 Sondern es ist gekommen, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«
10 Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.

Die Herrscher der Welt werden vergehen.
Die Herrscher der Welt haben den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt.
Da werden sie sich etwas erschrocken umblicken, da ist er sich sicher.
Und gar nicht mehr so überlegen, sondern ängstlich schauen:
 Ob da wohl ein Spitzel unter ihnen ist?
Sie werden nicht mehr lächeln.
Und sie werden hoffentlich verunsichert sein, und verstehen, dass es Paulus nicht um sich selbst geht.
Paulus malt ein anderes Bild von der Welt.
Er übermalt alle Vorstellungen von Größe und Göttlichkeit, die sie gewöhnt sind von den Herrschaften im Olymp.
Er wischt die Maske von Selbstsicherheit und Macht ab.
Er malt die Gewalt, die sich dahinter versteckt.
Das Leid der Sklaven.
Das Leid Israels.
Das Leid derer, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden.
Er malt wie keiner aus Korinth malen kann.
Malt nicht eigene Bilder, malt Gottes offenen und klaren Blick auf die Welt
Ihnen vor Augen.
Der lässt sich nicht täuschen.
Gott hat mehr als ein Lächeln für die Herrscher der Welt, die sich so überschätzen,
und viele Tränen für die, die unter ihnen leiden.

Die Mitte der Welt ist kein Palast,
sondern ein Kreuz und einer, der dran hängt.
Ein Bild, wo es einem die Sprache verschlägt.
Das Bild Gottes von dieser Welt,
eine Skizze der Klarheit, die einer malt, der  mit ganzem Herzen dabei ist und will, dass sich etwas ändert und zwar nicht an den Leidenden vorbei.

Das Bild sagt:  Gott bleibt dabei,
bleibt bei dem Mann am Kreuz
und damit mit beiden Beinen auf der Erde, bei uns.
Gott lässt sich entdecken von denen, die das Offensichtliche beiseite schieben, und hinsehen, ganz genau.
Gott lässt sich verkünden von Menschen wie Paulus, bei denen ihm keine Selbstinszenierung  die Botschaft verfälscht.
Stottern und Zittern, das ist Gottes Art, den Herrschenden und der Bosheit der Welt gegenüber zu treten.

Lachhaft mag das erscheinen,
aber Gott lässt sich von Gelächter nicht aufhalten.
Das geht in die Tiefe,
bleibt nicht an der Oberfläche.
Gott nimmt Paulus mit in seinen Blick hinein, versetzt ihn in Unruhe, die sich nicht beruhigen lässt.
Paulus hätte das Zeug zum Satiriker gehabt und sich bei Charlie Hebdou bewerben können.
Der Satiriker, sagt Tucholsky,  ist ein gekränkter Idealist:
er will die Welt gut haben, sie ist schlecht,
und nun rennt er gegen das Schlechte an.

Warum immer das Kreuz, Paulus, warum nicht positiver, könnte man fragen? Warum oft so böse, Charlie Hebdou?
Satire, sagt Tucholsky, muss übertreiben
und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht.
Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort:
Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten. […] Was darf die Satire? Alles.“

Der Mann am Kreuz, den Paulus in  die Mitte des Bildes rückt, ist ebenfalls ein Satiriker in Tucholskys Sinn.
Er rennt gegen die Ungerechtigkeit an, leidet mit den Unterdrückten und mit denen, die er anprangert.
Er erlaubt sich alles,
Worte, Karikaturen über Pharisäer, die wir uns heute niemals erlauben würden,
er lästert über reiche Kornbauern,
stellt Menschen bloß durch sein Handeln,
streitet sich mit denen, die alles zu wissen meinen,
heilt, wo keiner Wege zur Heilung sieht,
liebt, die keiner lieben will,
rennt sogar in den eigenen Tod,
trotz aller Warnungen.
Nur um denen nicht recht zu geben, die das Recht in ihren Händen halten.
Er hält die Fahne der Gerechtigkeit hoch aus Liebe, weil er Gottes Bild einer befreiten Welt teilt.

Ungerecht, nicht im Gleichgewicht ist so vieles.
Weit entfernt vom Frieden.
Und solange das so ist, dürfen wir dieses Bild vom Kreuz nicht verwischen,
müssen hinschauen und selber malen, wenn auch mit Zittern
und reden, auch wenn wir nur noch stottern können,
dem Frieden und der Gerechtigkeit hinterherrennen,
sichtbar machen, worüber so oft hinweggegangen wird,
nicht nur in Paris, auch in Nigeria,
nicht nur in Syrien, auch in Dresden,
nicht nur auf den Flüchtlingsbooten, sondern auch in den Heimen bei uns.
Eine Ansammlung von Leid,
unterschiedlich, natürlich,
aber Leid, das es braucht, dass man ein Auge darauf wirft und es nicht wegschiebt.

Es ist viel in Bewegung gekommen in der letzten Woche, in die eine oder andere Richtung.
Menschen, die sich voneinander fern gehalten haben,
reichen sich die Hände, unter dem Eindruck des Pariser Attentates.
Andere, die kein Verständnis verdienen, reden der Dummheit und dem Hass das Wort, höhnen und lachen über den ungeklärten Tod eines Asylbewerbers in Dresden,
ein Lachen, das sich an den Wänden der Bosheit bricht und leider zurück in die Welt fällt.
Wieder andere, viele, stehen auf und gehen auf die Straße, sagen Nein zu Hass und Fremdenfeindlichkeit, sagen Nein zu Terror und Gewalt.
Und einige, die großen Respekt verdienen, drucken ihre Zeitung mit der Aufschrift: Tout est pardonné“: Alles ist vergeben.
Und auch wenn sie das vielleicht nicht so gerne hören, aber  sie sind damit so sehr auf dem Weg dieses Mannes, der Gottes Gerechtigkeit lebte.

Unsere Aufgabe:
Das Bild seines Geistes malen,
unerschrocken und gelassen
und wenn möglich, ohne sich die Freundlichkeit austreiben zu lassen,
Gottes Bilder, seinen Blick auf die Welt teilen,
den Frieden suchen und ihm nachjagen und uns nicht irren machen lassen,
und die suchen, die mit uns auf diesem Weg sind.
Und dem Gelächter ein Lächeln entgegensetzen,
das sich anstecken lässt vom Geist Gottes
.

Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; sagt Paulus,
denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.
Der Geist sieht hin und nicht weg, sieht genau hin und gibt sich mit einfachen Antworten nicht zufrieden,
macht es sich und uns nicht leicht, aber es lohnt sich
sagt Hans-Peter Hüsch,
lohnt sich zu versuchen, den Maler der Welt zu verstehen und ihm nachzuleben.
Denn, so Hüsch,
Gott ist nicht leicht
Gott ist nicht schwer
Gott ist schwierig
Ist kompliziert und hoch differenziert
Aber nicht schwer
Gott ist das Lachen nicht das Gelächter
Gott ist die Freude nicht die Schadenfreude
Das Vertrauen nicht das Misstrauen
Er gab uns den Sohn um uns zu ertragen
Und er schickt seit Jahrtausenden
Den Heiligen Geist in die Welt
Dass wir zuversichtlich sind
Dass wir uns freuen
Dass wir aufrecht gehen ohne Hochmut
Dass wir jedem die Hand reichen ohne Hintergedan­ken
Und im Namen Gottes
Kinder sind
In allen Teilen der Welt
Eins und einig sind
Und Phantasten dem Herrn werden
Von zartem Gemüt
Von fassungsloser Großzügigkeit
Und von leichtem Geist.
Ich zum Beispiel möchte immer Virtuose sein
Was den Heiligen Geist betrifft
So wahr mir Gott helfe.
Amen