Römer
12,1-8
Ich bitte euch, liebe Geschwister, dass
ihr um des Erbarmens Gottes willen eure Körper, euch selbst darbringt zu einem
lebendigen, heiligen Opfer, das Gott gefällt, zu eurem geistigen Gottesdienst.
Und passt euch nicht dieser Welt an, sondern ändert euch durch Erneuerung eures
Denkens, um zu prüfen, was der Wille Gottes ist: das Gute, und das, was Gott
gefällt, und das Vollkommene.
Denn ich sage euch durch die Gnade, die mir gegeben wurde, allen, die bei euch
sind: Überschätzt euch nicht über das hinaus, was schätzenswert ist, sondern
schätzt euch vernünftig ein, jeder so, wie Gott das Maß des Glaubens zugemessen
hat.
Wie wir ja in einem Körper viele Organe
besitzen, die Organe aber nicht alle die selbe Funktion haben, so sind wir alle
ein Körper in Christus, aber untereinander sind wir Organe. Wir besitzen ja
unterschiedliche Gaben entsprechend der Gnade, die uns gegeben wurde, sei es
Prophetie in Übereinstimmung mit dem Glauben, sei es Dienst als Diakonin, sei
es Unterricht als Lehrer, sei es Seelsorge als Seelsorgerin. Wer Almosen gibt,
tue es ohne Berechnung; wer der Gemeinde vorsteht, tue es eifrig; wer
Barmherzigkeit übt, tue es heiter.
(Übersetzung Güntzel Schmidt, Göttinger
Predigten online)
In
der Arena 1: Der Stierkampf
Das Tor geht auf.
Die Menschen halten den Atem an.
Der Stier kommt! Er kommt in die Arena!
Er gilt als gefährlich, kampfeslustig, wild.
Ferdinand, der Furchtbare.
Gleich werden sie ein Schauspiel sehen.
Gleich wird der Matador den Stier mit
rotem Tuch herausfordern.
Die Piccadores warten noch, bevor sie
den Stier mit Lanzen reizen.
Vielleicht ist das gar nicht nötig.
Das Tier trabt langsam in die Mitte.
Was ist das?
Der Stier hebt den Kopf, schaut in die
Reihen,
sieht die Damen mit den Blumen an den
Hüten, im Haar,
schnuppert, schnuppert noch einmal,
setzt sich entspannt in die Mitte der
Arena,
schließt die Augen.
Atmet tief, atmet den Blumengeruch ein. Genießt.
Einen Augenblick entsetzte Stille.
Das gab es noch nie.
Dann brüllt Matador, provoziert den
Stier, weint vor Verzweiflung.
Der aber öffnet nur ein Auge.
Und schließt es wieder.
Kein Kampf.
Gar nicht möglich.
Der Matador lässt das Tuch, die
Piccadores ihre Lanzen sinken.
Wer hat ihnen denn diesen Stier
angeschleppt?
Der hat doch in einer Arena nicht zu
suchen.
Wie kann man gegen einen kämpfen, der
gar nicht will?
Ich bitte euch, liebe Geschwister, dass
ihr um des Erbarmens Gottes willen eure Körper, euch selbst darbringt zu einem
lebendigen, heiligen Opfer, das Gott gefällt, zu eurem geistigen Gottesdienst.
Und passt euch nicht dieser Welt an, sondern ändert euch durch Erneuerung eures
Denkens, um zu prüfen, was der Wille Gottes ist: das Gute, und das, was Gott
gefällt, und das Vollkommene.
In
der Arena 2 Auf der Wiese
„Ferdinand, der Stier“ heißt dieses
alte Kinderbuch.
Ferdinand liebt die Blumen, nicht den Kampf.
Alle anderen jungen Stiere balgen sich munter auf der Wiese und träumen vom
großen Tag in der Arena.
Ferdinand sitzt unter einem Baum und
genießt den Duft, der von der Wiese aufsteigt.
Seine Mutter, anfangs besorgt,
akzeptiert diesen merkwürdigen Sohn.
Doch die Arena bleibt Ferdinand nicht erspart.
Er setzt sich auf eine Hornisse und
bietet den Männern, die einen Stier für die Arena auswählen wollen, in seinem
Schmerzensrasen, ein eindrückliches Schauspiel.
Und sie wählen ihn aus.
Doch Kämpfen ist nicht seine Natur.
Ferdinand in der Arena. Das geht gar
nicht.
Anders als viele Geschichten endet diese nicht in der Arena.
Ferdinand darf sich selber treu
bleiben. Er wird auch nicht vernichtet.
Er darf wieder zurück auf seine Weide
und den Blumenduft genießen bis ans Ende seiner Tage.
Es heißt, dass diese Geschichte zu den
Lieblingsgeschichten Mahatma Ghandis gehörte.
Passt euch nicht dieser Welt an,
sondern ändert euch durch Erneuerung eures Denkens, um zu prüfen, was der Wille
Gottes ist: das Gute, und das, was Gott gefällt, und das Vollkommene.
Denn ich sage euch durch die Gnade, die mir gegeben wurde, allen, die bei euch
sind: Überschätzt euch nicht über das hinaus, was schätzenswert ist, sondern
schätzt euch vernünftig ein, jeder so, wie Gott das Maß des Glaubens zugemessen
hat.
Arena 3
Jesus in der Arena
Eine andere Arena.
Menschen am Jordan.
Sie warten auf den, der kommt, in diese Welt,
in die Arena ihres Lebens voller Gewalt und Armut.
Sie wollen sich erneuern, die Welt erneuern,
mit einem, der der Welt die Stirn bietet,
im Namen Gottes.
Johannes der Täufer hat Erwartungen geweckt.
„Tut Buße“, ruft er, „er wird kommen,
die Stimme aus der Wüste,
er wird nicht mit Wasser taufen wie ich, sondern mit
Feuer und dem Heiligen Geist.
Ich sage euch, der wird reden. Da
werdet ihr euch noch umsehen.
Die Spreu wird er vom Weizen trennen und verbrennen
und ...
Da kommt er ja.“
Die Menschen drehen sich um.
Sehen einen einfachen Mann, gekleidet wie sie alle zum
Jordan kommen.
Hören seinen Wunsch von Johannes getauft zu werden wie alle anderen sündigen
Menschen und die Einwände des Johannes.
Werden Zeugen seiner Taufe.
Erwarten Großes.
Schließlich tritt Gott in die Arena.
Geist und Feuer, hat Johannes gesagt, Geist und Feuer.
Der Himmel öffnet sich und...
Der Geist kommt.
Aber kein Feuer, eher eine Taube,
ein sanfter Flügelschlag der Liebe,
strahlendes Wohlgefallen, aber kein Feuer.
Die Menschen sind ratlos.
Der Mann tritt wieder aus dem Wasser. Schaut sie an.
Sie sehen das Leuchten in seinen Augen.
Aber reicht das, für die Arena dieser Welt?
Der Mann wendet sich ab von ihnen und geht weg, läuft
in die Wüste und bleibt erst einmal unsichtbar.
Die Menschen ratlos.
Auch Johannes ist verdutzt.
Wie soll man der Welt die Stirn bieten, kämpfen, mit
einem, der das gar nicht will.
Ich bitte euch, liebe Geschwister, dass ihr um des
Erbarmens Gottes willen eure Körper, euch selbst darbringt zu einem lebendigen,
heiligen Opfer, das Gott gefällt, zu eurem geistigen Gottesdienst. Und passt
euch nicht dieser Welt an, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Denkens,
um zu prüfen, was der Wille Gottes ist: das Gute, und das, was Gott gefällt,
und das Vollkommene.
Arena 4:
Christen in der Arena
Paulus schreibt an Menschen, die in der Arena leben,
mitten in Rom,
mitten in einer Welt mit Kaiserkult und aufgerichteten
Kreuzen,
an die die Römer aufrührerische Menschen hängen.
Bringt euch selbst zum Opfer dar, schreibt er.
Setzt euch ein, ein jeder so, wie es seiner, wie es
ihrer Kraft entspricht.
Bleibt vernünftig.
Sanft wie die Tauben und klug wie die Schlangen.
So hat es Jesus den Menschen ans Herz gelegt.
Und das sollen sie beherzigen.
Und sich nicht verführen lassen.
Sie müssen nicht mithalten,
nicht in der Arena der großen Denker.
Keiner verlangt, dass sie ein Aristoteles werden.
Sie müssen die Kämpfer nicht beeindrucken und nicht
die römischen Soldaten.
Sie können auch nicht damit rechnen, dass die anderen
von der Sprache und der Tat der Gewalt lassen.
Jesus, Gott schickt uns in die Arena der Welt, sagt Paulus.
Alle zusammen. Wie damals auf dem Marktplatz in Jerusalem,
als alle sich
zeigten und zusammenhielten:
Ein Körper, der zusammen und nur zusammen lebensfähig
ist.
Und gehalten wird vom sanften Flügelschlag der Liebe.
Ermutigt von Gottes strahlendem Wohlgefallen
So sanft und doch so mächtig wie Wind und Feuer.
Paulus schafft Raum für das Leben im Glauben, aber
nicht abgegrenzt, sondern mitten in der Welt.
Er kennt keine Kirchen, er kennt keine festen
Gemeindestrukturen, nur Häuser von Gemeindegliedern, in denen man sich trifft.
Alles ist am Anfang.
Alles beginnt erst.
Eine Decke liegt auf der Wiese der Welt, allen
sichtbar.
Menschen versammeln sich und bringen mit, was sie
haben.
Leben und essen zusammen.
Teilen das Lachen und die Liebe und ihre Gaben,
vernünftig und heiter.
Nur sie sind da und die weite Welt.
Eine Stimmung wie an einem Sommermorgen auf einer
Weide.
Der Duft der Blumen steigt in die Nase.
Die Sonne wärmt.
Der Himmel ist blau und weit und die Welt offen.
Wir müssen um nichts kämpfen, dürfen teilen, was auf
der Decke liegt.
Wege können beschritten werden.
Heiter und ohne Hintergedanken.
Gemeinschaftlich und ohne Wut.
Ausgerichtet am Guten, das Gott will und nicht an den
Grenzen, die andere hochziehen, als seien sie das Gesetz dieser Welt.
Das gilt es zu bewahren, damit nicht der erste
Windhauch des Zornes oder der Angst hinwegfegt, was mit Jesus von Nazareth
begann.
Und das geht so schnell.
Damals wie heute.
Wir kennen uns und die anderen.
So schnell bereit andere zu verurteilen.
So schnell bereit zuzuschlagen.
So schnell bereit, zu schützen, was meins ist.
So wenig bereit, den anderen gelten zu lassen, so wie er ist
Und zu achten, was jemand zu geben hat.
Der einzige Schutz, den die Menschen um Paulus haben,
sind sie selber,
ein Körper, eine Gemeinschaft im Namen Jesu Christi,
in der sie gelassen und vernünftig Gottesdienst feiern,
in Wort und Tat.
Heiter und liebevoll.
Getragen vom Zuspruch Gottes, der ihnen an Gaben zumisst,
was er ihnen zutraut und glaubt, dass damit die Welt sich zum Guten
wandelt.
Und passt euch nicht dieser Welt an, sondern ändert
euch durch Erneuerung eures Denkens, um zu prüfen, was der Wille Gottes ist:
das Gute, und das, was Gott gefällt, und das Vollkommene.
Arena V Wir
in der Arena
Nicht alle sind wie Ferdinand der Stier,
oder Jesus, den Gott wie eine Taube in die Welt
geschickt hat.
Die Versuchung in der Arena zu kämpfen ist immer
wieder groß.
Phantasien:
Was würde ich tun, wenn ich von Männern umkreist werde wie die Frauen in Köln
oder dem Mob einer Pegidademonstration gegenüber
stehe?
Muss ich mich verbiegen, um dem Bild einer sanften
Taube auch nur annährend gerecht zu werden, mit dem Gott seinen Geist gleich
setzt?
Und passt euch nicht dieser Welt an, aber geht in sie
hinein, wie in eine Arena, was heißt das denn?
Sind wir Sektierer, Sonderlinge, nicht ganz von dieser
Welt?
Vielleicht sollten wir nicht vergessen, was hinter den
Worten des Paulus steht, auch wenn er wie wir eine Welt erlebt, die in vielem
Gottes Willen widerspricht:
Dass es nämlich keine Arena gibt, auch wenn wir immer
wieder das Gefühl haben, in einer zu stehen.
Es gibt keine Arena, es gibt nur unsere Welt.
Und die hat Gott geschaffen.
In dieser Welt ist Gott uns nahe, mit seinem Willen, dass gut ist und gut
bleibt und gut werde, was er da in Gang gesetzt hat.
Und nichts, so Paulus, gar nichts kann uns in dieser
Welt trennen von Gottes Liebe.
Wir leben wie Paulus mitten in dieser Welt.
Und auch wenn wir in einer Kirche Gottesdienst feiern,
so sind wir doch mit den ersten Christen auf dem
Marktplatz, auf dem uns die ganze Welt sehen kann,
oder mit Ferdinand auf einer Wiese.
Alle sehen uns, wenn wir die Decke ausbreiten,
zusammenkommen um zu teilen,
vernünftig und heiter,
ein jeder mit dem, was er, was sie zu geben hat.
Um uns herum mögen andere uns anstacheln oder
herausfordern oder schluchzen und weinen wie der Matador, der Ferdinand bittet,
doch ein Gegner zu sein.
Wir müssen uns nicht darauf einlassen.
Gott traut uns zu, dass wir vernünftige Wesen sind,
die besonnen bleiben und uns nicht ins Bockshorn und von der Wiese des
gemeinschaftlichen Lebens vertreiben lassen.
Ferdinand, so das Ende der Geschichte, ist sehr
glücklich.
Das dürfen wir auch sein.
Glücklich leben.
Sanft wie die Tauben und klug wie die Schlangen.
Wir sind nicht dumm, wir wissen genau, wie schwer sich
alle, auch wir, immer wieder mit dem Weg unseres sanften Wegbereiters tun.
Aber Gott traut uns zu, dass wir uns selbst und die Wege prüfen, die sich uns
anbieten.
Er traut uns zu, das Gute zu tun, vollkommen und ganz
und gar genau das zu tun, was er sich für diese Welt und ihre Menschen wünscht.
Denn Gott sitzt mit uns auf der Wiese.
Die Sonne scheint.
Der Himmel ist weit.
Gott reicht uns eine Blume und sagt: Spürt doch, wie
das Leben riecht.
Werdet glücklich.
Alle miteinander.
Amen.