Donnerstag, 4. Juni 2015

Predigt Mk 2,1-11 Steh auf! Zur Kitaeinweihung 31.5. 2015


Predigt Mk 2,1-11 Steh auf! Zur Kitaeinweihung
Steh auf I.

Steh auf!
Wer mag diesen Satz?
Ich nicht.
Steh auf!
Da höre ich meine Mutter rufen:
Steh auf.
Meist früh am Morgen.
Und unangebracht fröhlich.
Steh auf?
Nenn mir einen guten Grund, warum ich aufstehen soll, murmele ich.
Die Sonne scheint, bietet sie mir an.
Reicht nicht. Decke und Bett und Traum wiegen stärker.
Früüühstück, lockt sie.
Brötchen?, frage ich und öffne ein Auge.
Heute nicht.
Reicht nicht.
Schule! Steh auf!!
Die Decke wird zur Seite gezerrt.
Nicht von mir, wohlgemerkt.
Und ich... stehe auf, irgendwie.
Aufstehen...
... in einen Tag mit Mathe und Erdkunde und –
Gott sei’s geklagt –
auch noch Latein...
Wer kann das wollen?
Wer öffnet dafür die Augen?
Wer steht dafür gerne auf?

Steh auf II.

Steh auf!
Sagt die Mutter dem Sohn, dem gelähmten,
sagt es ihm an vielen Morgen.
Steh auf.
Sagt es lockend, liebevoll, verzweifelt und auch voll Wut.
Steh auf!
Er hasst diesen Satz.
Aufstehen? Ja, wie denn?
Die Beine gelähmt.
Die Krücken fasst er nicht an.
Schon lange nicht mehr.
Er liegt ja doch nur herum, am Rand des Lebens anderer.
Steh auf?
Warum?
Um sich ans Tor zu schleppen, zu betteln?
Um den anderen bei ihrem Leben zuzusehen?
Wie sie fröhlich Wasser vom Brunnen holen,
rennen, reden, die Schafe aufs Feld treiben,
und abends mit Wein und Mädchen an den See Genezareth gehen?
Seine Freunde sagen ihn auch, den Satz.
Sagen ihn voller Mitgefühl, freundlich,
wollen ihn dabei haben,
wollen ihm helfen:
Steh auf.
Aber das reicht ihm nicht.
Ich  bin ihnen doch nur eine Last, denkt er.
Er sieht die Welt nur vom Boden her.
Lässt sich vom Blick der Leute niederdrücken,
die ihm sagen:
Geht nicht, das Gehen.
Wird nie gehen.
Wirst nie aufstehen.
Wirst deiner Mutter eine Last sein. Immer.
Er will sein Leben nicht.
So nicht.
Liegen bleiben, beschließt er eines Tages.
Nichts mehr sagen. Nichts mehr tun. Schon gar nicht aufstehen.
Nicht mal ein Auge öffnen.
Wozu auch? Für einen leeren Tag?
Wer kann das wollen?
Wer öffnet dafür die Augen?
Wer steht dafür gerne auf?

Steh auf III.

Steh auf, Friedensgemeinde,
sagen die Zahlen, sagt die Vernunft, sagt Mutter Kirche.
Sagt nüchterne Sätze wie:
Das Geld reicht nicht.
Die Personalstellen reichen nicht.
Ihr müsst etwas tun. Verkaufen, verkleinern.
Die Gemeinde kann so nicht leben, nicht arbeiten.
Nicht in der Zukunft.
So geht es nicht.
Nicht, nicht, nicht.
Da hören wir weg.
Da drehen wir uns auf die andere Seite,
ziehen die Decke über den Kopf, jahrelang.
Verkaufen, verkleinern.
Das kann uns nicht locken.
Wer kann das wollen?
Wer öffnet dafür die Augen?
Wer steht dafür gerne auf?

IV. Steh auf und sieh in den Himmel

Steh auf, sagt der Mann, den Gott uns schickt, damit wir aufstehn.
Steh auf und lass dich vom ziehenden Boden befreien,
von der Unlust des Schultages,
von der Last der gelähmten Jahre,
von der Enge der Zukunft,
von der Fessel des Mammon.
Schau hoch in das Loch im Dach!
Da lacht dir der Himmel zu, da lacht dir das Leben.
Da tanzen die Verrückten, die die Tür nicht nehmen
und nicht warten, bis sie an der Reihe sind.
Die ein Dach aufbrechen, einfach so,
und im Himmel beginnen, was sie auf der Erde nicht bewegen können.

Steh auf
und wenn dir Mathe und Latein begegnen,
dann ist das nur die Hälfte des Tages,
die andere, das bist du im warmen Frühlingstag,
morgens auf dem Fahrrad,
ein Stück vom Himmel,
das ist das Lachen mit deiner Freundin und das Eis nach der letzten Stunde.
Und vielleicht fällt die sogar aus.

Steh auf,
und wenn sie dir „Geht nicht, das Gehen!“ sagen, hör nicht hin.
Lass nicht zu, dass sie dich lähmen und ausgrenzen.
Sie schauen auf dich nieder,
aber du schaust durch das Loch im Dach.
Du siehst die Sonne tanzen,
siehst deine Freunde, die dich in den Himmel ziehen wollen,
und stimmst ein in ihr Lachen.
Du lässt dir von Gott, dem großen Freund, unter die Arme greifen.
Du nimmst sein Geschenk an und liebst zurück, liebst in die Welt.
Du nimmst dein Bett in die Hand und dein Leben.
Und dann noch ein Wunder: Du gehst.

Steh auf,
und wenn sie sagen: „Ihr müsst!“, dann ist das nur die Hälfte der Wahrheit.
Lasst euch nieder im Traum von lebendiger Gemeinde.
Hört auf eine, die träumt von einem bunten Haus und einem Garten
und Kindern und Erwachsenen, die dort munter spielen und reden,
über Gott und seine Welt.
(Falls Felicia da ist: Und wenn ihr euch schwer tut, ins Träumen zu kommen, dann holt euch eine mit Flügeln im Gepäck, die zeigt euch, wie man sie gebraucht.)
Und wenn ihr Schwierigkeiten habt, das Haus zu malen, dann holt euch Hilfe.
Die gibt es und die können das sehr gut. Und können sogar bauen.
Und auch noch schön!
Und denkt nicht nach, ob ihr das wohl schafft.
Dann fangt ihr nämlich gar nicht erst an.
Geht gemeinsam los, steht euch gegenseitig bei.
Lasst euch auch mal unter die Arme greifen und  staunt über das, was geht.
Und wenn ihr Geld braucht, dann bittet Gott, das Wasser beiseite zu schieben,
und der tut das tatsächlich manchmal auch
und schickt euch den Käufer und den Kirchenkreis und die Landeskirche dazu.
Und nehmt alle mit in die Leichtigkeit  und Farben des Traumes.
Dann schmerzt mancher Abschied immer noch, aber vielleicht etwas weniger.  
Dann baut ihr das Haus und den Himmel bekommt ihr dazu geschenkt.
Und teilen dürft ihr ihn auch.



V. Steh auf und geh.

Öffne die Augen und schau nach oben,
in das Loch im Dach, das Gott immer für dich bereit hält.
Himmel scheint herein.
Sonne und Wolken.
Der Flug eines Vogels.
Für einen Moment: Vergiss den Boden, auf dem du liegst.
Für einen Moment: Sei dort oben und erlaube deinem Leben, sich in den Himmel zu weiten.
Leicht, ganz leicht ist alles, für Momente.
Vergeben und vergessen die Schwere, die dich am Boden hält.
Das Wollen nimmt das Können an die Hand.
Du spürst, wie die Erde sich dreht.
Spürst Gottes Hand, der die Dinge am Laufen hält.
Hörst seine Stimme: Steh auf.
Und gehst.  
Amen.