Samstag, 5. April 2014

Hebr 13, 12-14 Jesus und Sixto Rodriguez – Leben draußen vor dem Tor (Judika 2014)


Jesus und Sixto Rodriguez – Leben draußen vor dem Tor
Judika 2014

Predigttext Hebr. 13, 12-14
Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor.
Lasst uns also zu ihm vor das Lager hinausziehen und seine Schmach auf uns nehmen.
Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Draußen vor dem Tor.
Das ist kein schönes Ausflugsziel, raus aus der Stadt aufs Land,
etwa mit dem Fahrrad durch  blühende Wiesen fahren.
Draußen vor dem Tor endet das gesicherte Leben.
In den Mauern der Stadt wurde eine Entscheidung gefällt und in der Folge davon ein Mensch nach draußen geschickt.
Mit einem Kreuz auf dem Rücken.
Draußen vor dem Tor leidet und stirbt ein Mensch.
Vor den Toren der Stadt Jerusalem.
Auf einem Hügel namens Golgatha.
Das ist kein schöner Anblick, wir kennen ihn aus vielen Darstellungen.
Draußen vor dem Tor leiden?
Welchen Sinn macht das?

Detroit, 1968.
Ein junger Mann lebt mehr oder weniger auf der Straße.
Er arbeitet beim Bau, engagiert sich sozial und spielt und singt eigene Lieder, mit Texten, die wiedergeben, was er tagtäglich sieht,
die Ödnis und die Kälte der Straße,
die Armut der Menschen,
der sinnlose Tod der Vietnamkämpfer,
Kinder ohne Perspektive.
Er besingt den sugar man, der den Menschen in seinem Stadtteil Drogen bringt.
Sie sind müde von dem, was sie tagtäglich sehen.

Sie versuchen zu vergessen, dass das Leben in der Stadt sie am Rand liegen lässt.
Draußen vor dem Tor leben, nicht in den Zentralen der Macht oder des wirtschaftlichen Erfolges –
daran hält der junge Mann fest.
Er wundert sich in seinen Texten und seiner Musik immer wieder, warum das sein muss, diese Ungerechtigkeit,
Aber er betäubt sich nicht, um dieser Frage zu entgehen, wie viele andere in seiner Gegend.
In einer verrauchten Bar fallen er und seine Gitarre einem Agenten auf.
Der erkennt, dass dieser junge Mann außergewöhnliches Talent hat:
In Musik und Texten um Klassen besser als Bob Dylan, meint er.
Für Sixto Rodrigues, so heißt der Sänger, kommt der Moment,
den viele junge Menschen auch heute erträumen:
Er wird entdeckt, er produziert eine Platte und erhält begeisterte Kritiken von Kennern und:
Kein Mensch kauft die Platte.
Kein Mensch kennt seinen Namen in den USA.
1970 nimmt er wieder Abstand vom Showgeschäft und nimmt sein Leben wieder auf, draußen vor dem Tor.
Er spielt weiter, komponiert, studiert Philosophie und arbeitet weiter auf dem Bau.
Er gründet eine Familie,
haust in Wohnwagen, einfachen Wohnungen, die gerade mal Matratzen haben.
Armut, sagt seine Tochter später, gehörte immer dazu.
Eine Schmach, so zu leben, so abseits des Erfolges und der Sicherheit?
Ein vergeudetes Leben eines großen Talentes?
Der Sänger des sugar man auf sich selber zurückgeworfen?
Hören wir ihm zu.

Lied: Sugar man

Galiläa, im Jahr 30
Ein junger Mann namens Jesus wandert durch Galiläa.
Er hat als Zimmermann auf den Baustellen der Römer gearbeitet.

Er gehört zu denen, denen das Herz brennt,
wenn er die Gewalt der Besatzer sieht,
die Armut in den Dörfern und auf den Straßen,
das Leid verwaister Kinder.
Aber er lässt sich davon nicht betäuben.
Er gibt sich weder dem Hass hin, noch der Lethargie der Armen.
Die Poesie seines hoffnungsvollen Glaubens bleibt.
Humorvoll und liebevoll erzählt er Geschichten,
über verrückte Bauern, die sinnlos ihr Saatgut verstreuen,
über Söhne, die ihr Geld verschleudern und doch wiederkommen dürfen,
über Hirten, die nachts einem verlorenen Schaf nachrennen.
Die Menschen erkennen, dass das Geschichten für ihr Leben sind,
Hoffnungsgeschichten voller Poesie und Leichtigkeit und Klarheit,
in denen sie das Lächeln und die Kraft Gottes streift.
Menschen stehen auf und gehen mit.
Sie verändern ihr Leben, werden mehr, immer mehr.
Geld spielt keine Rolle,
Besitz und die  Gewalt, ihn zu erhalten, lehnt Jesus ab.
Er will unbestechlich, vertrauensvoll unterwegs bleiben,
sich nicht niederlassen in der Stadt.
Er gehört draußen vor das Tor zu denen, die das Leben der anderen an den Rand gespült hat.
Gott will es anders, sagt er ihnen,
nichts bleibt so, wie es ist.
Dass ihm viele das glauben, ist ein Wunder.
Denn das Leben ist hart und die Römer haben Wunder eigentlich vom Programm gestrichen.

Südafrika, in den 70er Jahren.
Die Apartheit ist auf der Höhe ihrer destruktiven Kraft.  
Nelson Mandela sitzt schon über 10 Jahre im Gefängnis.
Die Gewalt der Regierung lähmt alle, vor allem schwarze, aber auch weiße Südafrikaner.
Ein Band mit Liedern von Rodriguez kommt auf ungeklärtem Weg ins Land.
Seine Lieder werden gehört und verstanden.
Die Südafrikaner erkennen ihr Leiden in diesen Liedern und auch den Protest dagegen.
Schnell machen Kopien dieses ersten Bandes die Runde.
Bald singt vom Kind bis zur Großmutter, singen alle Lieder von Rodriguez.
Die Lieder geben vor allem den Jugendlichen den ersten Anstoß aufzustehen gegen das Unrecht der Apartheid.
Sie hören die Musik von den Straßen in Detroit,
sie sehen und fühlen das, was nicht sein darf, wie Rodriguez,
und singen die Lieder gegen das establishment.
Rodriguez wird bekannter in Südafrika als die Stones oder Elvis Presley.

Er selber hat keine Ahnung von seiner Wirkung.
Ohne you tube ohne Internet war ein Mensch nicht so leicht zu finden wie heute.
Für die Menschen in Südafrika bleibt Rodriguez jahrzehntelang ein Geheimnis.
Er sei tot, heißt es schließlich, habe sich auf der Bühne umgebracht.
1996, knapp 20 Jahre später, will ein Journalist eine story über seinen Tod schreiben.
Er untersucht seine Texte, findet einen Hinweis auf Detroit und schließlich einen lebenden Rodriguez.
Rodriguez wird nach Südafrika eingeladen.
30 000 Menschen schreien und jubeln ihm beim ersten Konzert 10 Minuten lang ununterbrochen zu und singen dann mit ihm seine Lieder,
feiern die Freiheit und ihren langen Kampf, der mit ihm begonnen hatte.
Endlich der Durchbruch für Rodriguez?

Jerusalem, am Tag vor dem Passahfest
Der Mann aus Galiläa hat sich herumgesprochen.
Er ist ein Geheimtip.
Man weiß nicht, wie er aussieht, aber einige haben ihn gesehen.
Man hat ihn noch nicht gesprochen,
aber seine Worte und Geschichten wurden weiter erzählt.
Man hat seine Wunder nicht erlebt, aber andere schon.
Sie berichten von dem Neuanfang in ihrem Leben als geheilte und von seelischer Last befreite Menschen.
Er kommt zum Passahfest nach Jerusalem, der Schaltzentrale der Macht,
und die Menschen strömen herbei und jubeln ihm zu.
Die Gewalt der Soldaten wird buchstäblich an den Rand der Straße gedrängt.
Die Straße gehört dem Volk.
Es feiert seine große Hoffnung auf ein Ende dieser Gewalt.
Einen Tag lang, ein paar Stunden vielleicht.
Endlich der Durchbruch für Jesus?

Heute in Detroit
Rodriguez hat nie Geld für seine Platten bekommen, nie einen weiteren Vertrag abschließen können.
An der Verbreitung seiner Musik verdienten und verdienen andere.
Er bleibt trotz seines Erfolges vor dem Tor,  arbeitet auf dem Bau
und gibt das Geld für die Konzerte seinen Kindern und denen, die es brauchten.
Ein Weiser, ein besonderer Mensch ist er.
Er hält es aus draußen vor dem Tor, weil er dorthin gehört.
Dort ist er mit seinem Talent wichtig ist für all die, die mit ihm dort leben.
Nur dort kann er sich laut wundern über diese Schmach, die viele erdulden müssen.
Und er ist ein Weiser, der dabei heiter bleibt und die zarte Pflanze seines Mitgefühls und seiner Poesie pflegt und singt.
Das ist ein Durchbruch für die Menschlichkeit jenseits der Gier nach Reichtum und Erfolg,
ein Durchbruch, der ganz im Sinne Jesu gewesen wäre,
ein Durchbruch für den Blick auf die am Rand lebenden Menschen,
auf die kaum ein wirklich anteilnehmender Blick fällt von denen,
die auf der Straße an ihnen vorbei hasten. 

Jerusalem, am Tag nach dem Passahfest
Draußen vor dem Tor leidet ein Mensch.
Und stirbt.
Er erlebt nicht mehr, wie aus seinem Tod heraus Leben entsteht,
jedenfalls nicht als Mensch wie du und ich.
Aber es folgt ein Durchbruch, mit dem niemand gerechnet hat,
damals draußen vor dem Tor am Kreuz.
Leben entsteht seinen Worten und Taten,
aus seinem heiteren Vertrauen in die Liebe Gottes,
Aus dem Leben wird eine Bewegung, eine Kirche, die die Welt erobert.
Sicher nicht immer in seinem Sinn.
Aber nach wie vor sind sie da, sind wir da,
die sich mit ihm wundern, warum die Welt so ist wie sie ist. 
Und lassen uns sagen, auffordern vom Hebrbrief:
Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern sind auf dem Weg in eine zukünftige.
Wir lassen uns nicht nieder, bleiben unterwegs.
Wir machen die Augen auf und sehen die Menschen auf der Straße an,
wundern uns über die Einsamkeit in ihren Augen,
über den Hass in ihren Worten,
über die vielen gescheiterten Pläne, die an der Realität zerbrechen
und manchmal sogar auf einer Bank im Park enden.
Wir wundern uns und lassen uns zu Herzen gehen,
wie sehr man den Verlockungen des sugar man erliegen kann, schon in jungen Jahren.
Wundert euch, sagt uns der Hebrbrief,
sagen uns Menschen wie Jesus und Rodriguez,
wundert euch über das was so selbstverständlich ist und nicht gut ist.
Traut euch, euch dieses Wundern zu Herzen gehen zu lassen,
 auch wenn es schmerzt und euer Leben immer wieder in Frage stellt,
wundert euch und stellt eure Talente in den Dienst dieses Wunderns.
Wundern wir uns mit Rodriguez und dem Lied,
mit dem die Menschen damals in Südafrika die Regierung mit ihrem Wundern über die selbstverständliche Ungerechtigkeit konfrontiert haben:
Lied: I wonder

Heute, bei uns?
Denkst du dein Leben wäre als Star besser verlaufen, wird Rodriguez nach dem Erscheinen des Films gefragt?
Was vermutlich soviel heißt, wie:
Haderst du damit, dass du so lange draußen vor dem Tor und in Armut gelebt hast?
Rodriguez zögert, denkt nach, lächelt und sagt:
Darauf habe ich keine Antwort.
Was vermutlich die beste Antwort ist, die man auf eine solche Frage geben kann.

Einfach draußen vor dem Tor unser Bestes geben,
der Stadt und den Menschen
und das Urteil über Sinn und Unsinn, über Schmach und Erfolg
Gott überlassen  
Vermutlich erleben wir dann immer wieder einen der Durchbrüche,
auf die Gott wartet und zu denen er uns einlädt.
Und vermutlich werden wir dann glücklich.
Amen

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