Samstag, 24. Januar 2015

Exodus 34, 29- 35 (Neuer Text in der neuen Perikopenordnung, Reihe IV) Letzter Sonntag n. Epiphanias



Exodus 34, 29- 35 (Neuer Text in der neuen Perikopenordnung, Reihe IV
mit Anregungen von Michael Greßler

(Zentrum für Ev. Predigtkultur, Facebook und der http://www.hagalil.com Seite und den dortigen Thoraauslegungen)

Sie wollten frei sein.
Deshalb waren sie aufgebrochen.
Mose hatte gesagt:
Das ist ein elendes Leben, das Leben als Sklavinnen und Sklaven.
Sie hatten genickt.
Schön war das wirklich nicht.
Auch wenn sie nichts anderes kannten.
Bisher hatten die Fleischtöpfe in Ägypten dafür gesorgt, dass Visionen vom freien Leben flach gehalten wurde.

Aber Mose hatte es geschafft.
Das Brennen des Dornbusches in den Augen redete er zu ihnen von einem Land der Freien,
Milch und Honig,
Würde und Selbstachtung,
und von dem Gott, der sie über sich selbst hinaus führen würde allen Pharaonen zum Trotz.

Sie hatten genickt:
Das klingt gut. Wer will schon Sklave sein?
Und sie folgten ihm.
Den Weg durch das Meer,
den Weg durch Angst und Freude über die Rettung,
den Weg in die Wüste,
den Weg durch Hunger und Durst,
den Weg zum Berg, der das Denken der Menschheit verändern sollte.

Und Mose stieg auf den Berg und hörte dort, wie Gott für alle Menschen dasselbe Recht verkündete.
Egal ob Herrscher oder Knecht:
alle auf Augenhöhe miteinander,
alle werden gemessen an Gottes Gerechtigkeit.
Die Revolution der alten Ordnung war das.
Die erste Verkündung der Menschenrechte.
Mose war darauf vorbereitet, seit er Ja zu der Stimme im Dornbusch gesagt hatte.

Aber das Volk?
Das Volk hatte den Weg in die Freiheit mit den Füßen gemacht.
Aber auch mit dem Herzen, mit dem Verstand?
Die Stimme des Donners, die Wolke, die ihnen den Weg wies, verstanden sie nicht.
Mose musste übersetzen.
Aber Mose war ihnen fremd.
Nicht einer der Ihren,
ungeduldig,
einem Bild nachjagend, das nur er sehen konnte.

In ihren Herzen und Köpfen tanzte noch die Stimme Ägyptens,
der Glanz des Goldes,
die Heiterkeit mancher Abende am Fluss nach getaner Arbeit,
die Nachbarn sind da, das Fleisch auf dem Feuer,
Gemüse und Obst von den fruchtbaren Feldern des Nils,
die relative Sicherheit eines Systems, das sie erhält, weil es sie braucht,
die Musik Ägyptens, die ihre Fragen beschwichtigt,
Reklame für den Gedanken:
Besser es bleibt, wie es ist, wer weiß, was sonst kommt.

Der Jingle dazu: Ohne Sorge, sei ohne Sorge.
Verschluck die Wut,
vergiss, was sein könnte,
für dich, für die anderen.
Tu, was man dir sag.
Nimm das Geld und frag nicht.
Bau deine Hütte, bau dein Haus.
Sorg für die Kinder.
Schau weg, wenn einer weint.
Frag nicht, sorg dich nicht.
Lass es laufen.

Was tun die Sklaven dieser Reklame in der Wüste?
Sie bauen sich einen Herrn, wie sie es in Ägypten gelernt haben.
Ein Standbild aus Gold,
damit der unsichtbare Gott zumindest einen Ort hat
und sie etwas zum Aufschauen, zum Anfassen,
etwas blendend Schönes,
endlich wieder etwas, was sie sehen und verstehen,
die Sprache des Goldes,
die Sprache der Herrn.

Musikimprovisation (Eine Mischung von heiler Welt und Dissonanzen)

(Ingeborg Bachmann im Wechsel mit einer Reklamestimme lesen.
Gleich einsetzen nach der Musik
Reklamestimme mit Heilerweltmelodie begleiten)

Wohin aber gehen wir
ohne sorge sei ohne sorge
wenn es dunkel und wenn es kalt wird
sei ohne sorge
aber
mit musik
was sollen wir tun
heiter und mit musik
und denken
heiter
angesichts eines Endes
mit musik
und wohin tragen wir
am besten
unsre Fragen und den Schauer aller Jahre
in die Traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge
was aber geschieht
am besten
wenn Totenstille

eintritt

Die Musik erstirbt.
Totenstille, als Mose zurückkehrt, nach 40 Tagen auf dem Berg,
in den Händen die Tafeln mit der neuen Ordnung.
Totenstille, als er die Tafeln voll Wut auf die Erde wirft,
das goldene Standbild umstürzt.
Totenstille, in der die Stimme Ägyptens keine Kraft mehr hat,
einfach verstummt,
und sie mit Entsetzen erkennen, dass ihr Leben endet,
hier in der Wüste,
wenn der Traum vom freien Volk endet.
Gott hat keinen Grund, den Traum von Sicherheit und Gold zu fördern.
Totenstille, als Mose, Wut und Verzweiflung im Gesicht,
wieder kehrtmacht
und zurück auf den Berg geht
und mit Gott redet.

Mose erkennt: Ich bin der Einzige, der sich wirklich geändert hat.
Die anderen hören auch in der Wüste noch die Stimme Ägyptens,
die ewige Reklame für das eigentlich Undenkbare,
dass Ungerechtigkeit und Leid und Tod kein Ende nehmen werden,
diese Reklame für den Rausch des Jetzt,
der die  Fragen nach Leben und Gerechtigkeit verdrängt.
Wie soll ein solches Volk jemals die Regeln der Freiheit Gottes verstehen,
geschweige denn leben?
Wie sollen sie für die Welt die Flagge der Gerechtigkeit hochhalten,
der Grund, warum Gott sie erwählt hat?
Gott teilt die Verzweiflung des Mose und gemeinsam arbeiten sie sich da raus,
können nicht ablassen von der Hoffnung,
dass der Weg der Gebote Gottes ein Weg der Menschen werden wird.
Und Gott sagte bei sich:
„Ich will, dass sie sehen, wie ein freier Mensch aussieht,
wie er leuchtet,
welche Freude, welche Erfüllung es bedeutet, meinen Weg zu gehen.“


Und so hören wir aus dem 2. Buch Mose, Kapitel  34:
Als Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner
Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.
Als aber Aaron und ganz Israel sahen, dass die Haut seines Angesichts
glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen.

Orgelimprovisation zu Gold (schon mal aufgeführt. Sehr beeindruckend.)

Da rief sie Mose und sie wandten sich
wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen.
Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten.
Und er gebot ihnen alles, was Gott mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai.
Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht.
Und wenn er hineinging vor Gott, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er heraus kam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war,
sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

Die Menschen fürchten sich, als sie Mose im Glanz erblicken.
Sie spüren:
Dieser Glanz, das ist der Abglanz der Herrlichkeit,
der unmittelbaren Gegenwart Gottes.
Die befreit, ist Freude und Befreiung,
aber die ist auch schwer.
Nicht jeder kann sie tragen.
Nicht jede kann sie ertragen.
Wenn Gott mir direkt begegnet, dann fällt meine dicke Haut ab,
mein Schutz gegen das Außen.
Dann öffne ich die Augen und öffne mein Herz und nichts bleibt mir verborgen.
Ich sehe alles, was sich gegen Gottes Recht wendet und das schmerzt.
Wie soll ich die Stimmen ertragen, wenn ich so schutzlos offen bin?

Du hörst eben alles.
Du hörst, wie sie zweifeln, um die Fleischtöpfe Ägyptens jammern.
Du hörst das Wimmern der Reklame:
Kauft, Leute, kauft und denkt nicht nach,
vergesst die Träume. Sie sind zu groß für euer Herz.
„Du hörst, wie sie in den Häusern streiten.
Du hörst, wie sie einander auslachen auf dem Schulhof.
Du hörst das böse Getuschel hinter dem Rücken.
Du hörst Schüsse fallen.
Du hörst, wie Mütter um ihre Söhne weinen.
Du hörst Stockschläge auf blutenden Rücken.
Du hörst Hassgesänge auf winterlichen Straßen.
Du hörst, wie Kranke stöhnen.“ (Greßler)
Und du hast keinen Schutz dagegen,
wie auch Gott sich nicht schützt,
sondern hört, alles hört und es sich nahe gehen lässt.

Mose hat sich ein Zelt gebaut,
um sich nicht gleich wieder in diesen Stimmen zu verlieren.
Er zieht sich eine Decke über den Kopf, wenn er hinaus kommt.
Nicht nur um das Volk zu schonen,
vor allem als Schutz gegen die Stimmen, die ihn vom Berg herunterholen.
Auch Jesus ging auf den Berg.
Nur dort konnte er dem Glanz Gottes begegnen,
nur dort sein Herz ganz und gar öffnen,
unter seinen Vertrauten,
in einem Moment der Stille,
weit weg von dem Stimmen der Welt,
im Einklang mit Gott.

Was wir brauchen?
Mutige Menschen, die es wagen und zurücktreten in einen Ort der Stille und auf Gott hören.
Mutige Menschen, die es wagen und den Gesang des Goldes abschalten.
Mutige Menschen, die es wagen, auf die Stimme Gottes zu hören,
die sagt, immer wieder:
Ich bin der, auf den du hören sollst, dein Gott, der dich aus Ägyptenland befreit hat, du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Wir brauchen mutige Menschen, die kein Volk brauchen,
auch keinen Gott, der sie bestätigt in ihrer Lebensweise,
mutige Menschen, die hinsehen.

Sie öffnen sich dem befreienden Glanz Gottes
und, kaum vorstellbar für uns,
sie sind befreit von der Sorge um sich selber.
Die Zeit steht still.
Sie tragen Gott im Herzen und leuchten.
Und in die Stimmen der Welt hinein erheben sie ihre häufig so einsame Stimme
und reden,
etwa so, wie es dieser unbekannte Mensch aus Lateinamerika tut:

Ich will ein Bote der Hoffnung sein;
Licht bringen in meinen Augen,
leidenschaftliche Unruhe in meinen schwachen Händen
und die belebende Kraft Gottes in meinen Worten.
Ich will einer sein, der Freiheit sät
unter den Menschen, meinen Brüdern und Schwestern -
das Reich zu bauen auf dieser Erde, dieser guten - und unserer!
Ich will den Frieden ansagen
mit Füßen, die nicht entweiht sind vom Gold.
Ich werde nicht gehen auf den Wegen der Ungerechtigkeit.
ich werde mich nicht abfinden mit der Unterdrückung der Ärmsten.
ich werde Kraft trinken dort, wo das Volk trinkt,
und werde meinen Platz haben, wo es ein menschliches Wesen gibt.
Mein Schweigen wird das geheimnisvolle Schweigen sein, mit dem sich die Niedrigen dieser Erde ernähren.
Ich werde mein Herz nicht verkaufen durch die Lüge;
niemals werde ich die Wahrheit stumm machen.
ich werde sein wie das Schweigen, das niemals bemerkt wird;
und doch empfindet es zuinnerst
den Schmerz und die Hoffnung eines jeden Menschen.
Glücklich der Mensch, der so sein Lebens erbaut,
denn er wird geschmäht und verfolgt werden von vielen.
Aber fest wird er bleiben in seinem Herrn,
denn der Herr, sein Gott, hat ihn gerufen von jeher.
(aus: Hermann Brandt, Die Glut kommt von unten, 1981)

Machen wir uns gegenseitig Mut,
laden wir Gottes Glanz in unser Leben ein.
Leuchten ungeschützt.
Schicken die Worte von Gottes Gerechtigkeit in die Welt.
Es ist einfach so:
Unsere Stimme wird gebraucht.
Amen

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