Sonntag, 29. Mai 2011

Predigt zu Lukas 11, 5-13 am 29.5.2011 Rogate


Bisschen spät, aber in sechs Jahren wieder brauchbar. 

Lk 11, 5-13 Rogate 2011 Friedenskirche Charlottenburg
Konfiramndentaufe

Susanne:             Und Jesus sprach zu ihnen:
Jesus:                  Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm:
Mann:                 Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann!
Jesus:                  Und der drinnen würde antworten und sprechen:
Freund:               Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.
Jesus:                  Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.
Und ich sage euch auch:
Leser 1:               Bittet, so wird euch gegeben.
Leser 2:               Suchet, so werdet ihr finden.
Leser 3:               Klopfet an, so wird euch aufgetan.
Leser 1:               Denn wer da bittet, der empfängt.
Leser 2:               Und wer da sucht, der findet;
Leser 3:               Und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Jesus:                  Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete?
Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!

Knock, knock, knocking on heavens door. Ein bekanntes Lied von Bob Dylan, der seinen 70. Geburtstag dieser Tage feiert.
Ein Klopfen an der Himmelstür. Ein Sheriff ist am Ende angelangt. Er will seine Mutter auf seinen Tod vorbereiten, seine Waffen ablegen. Das Dunkel senkt sich bereits auf ihn herab. Alles ist aus.
Klopfen an der Himmelstür bleibt als einziger Ausweg. Flucht aus der Welt, Flucht vor den Folgen der eigenen Handlungen. Ein kraftloses Klopfen, das einfach nur hineinwill in den Raum des Friedens und um Einlass bittet.
Es gibt viele Menschen, die so beten, die am Ende ihrer Kräfte angelangt sind, aus welchem Grund auch immer, und nur noch erlöst werden wollen.
Dass dieser Weg noch offen ist, dass Gott da ist, ist für sie ein Trost. Und es ist gut, dass sie ihn haben.
Aber ich glaube nicht, dass Jesus so gebetet hat. Selbst im Garten Gethsemane, auch  wenn er am Ende seiner Kräfte war, hat er nicht einfach aufgegeben. Er hat das Leben eingeklagt, unmögliche Bitten geäußert: „Nimm diesen Kelch von mir, wenn möglich.“
Er hat vor Schmerz und Klage geschrien „Mein Gott, mein Gott warum hast du mich verlassen?!“ 

Wie sollen wir beten, fragen ihn die Jünger, lehre es uns.
Und Jesus gibt ihnen eine Vorlage, das Vater Unser und im Anschluss noch den Ton dazu, die Haltung, in der es gebetet werden soll, damit es nicht missverstanden wird, nicht harmlos bleibt.
Und der Ton ist kein vorsichtiges, ergebenes Klopfen.
Da wird an die Tür gehämmert, um den schlafenden Freund zu wecken.
Da liefert man sich ihm ganz aus mit seiner Situation, denn bei einem Freund muss man nicht sein Gesicht und seinen Stolz wahren.
Den kann man überfallen, mitten in der Nacht, wenn man Besuch bekommt.
Der weiß ja, wie heilig die Gesetze der Gastfreundschaft sind und dass drei Brote die Ration sind, die man mindestens einem Gast vorsetzt.
Und der wird  dann deshalb aufstehen und den hölzernen Balken trotz des lauten Knarrens wegschieben, auch wenn die Kinder aufwachen.
Und ob gern oder nicht, er wird ihm geben, was der Freund verlangt. Auf jeden Fall.
Bittet!  Bittet mit aller Kraft, sucht mit allem Ernst, hämmert mit euren Bitten auf Gott ein. Betet dringlich, laut und schon fast unverschämt.
Soweit, so gut.
Kommen diese Worte aber bei uns wohlerzogenen Mitteleuropäern an, mit unseren meisten gesetzten Gottesdiensten, unserem Ernst, unserer Zurückhaltung?
Sind diese Worte nicht in den Wind gesprochen?
Wer gewinnt es über sich und bittet heute noch, fleht, rückt jemand auf die Pelle mit seinen Wünschen, hämmert an Türen.
Menschen, die das tun, sind doch unangenehm. Die haben doch jeden Stolz verloren.
Wenn Obdachlose in der U-Bahn auftreten, dann haben sie mehr Chancen, wenn sie ihre Bitten höflich vorbringen.
„Darf ich eine Minute um Gehör bitten“ oder „Ich weiß, dass ich Sie jetzt störe“.
Und der Text, der dann folgt, sollte kurz sein und nicht zu klagend.
Auf keinen Fall sollte man den Mitfahrenden seinen eigenen Frust, seinen Groll, seine Verzweiflung ins Gesicht schleudern. Dann machen die Leute zu.
Wer bittet, macht sich klein, abhängig.
Gerade ältere Menschen, die zunehmend in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt  sind, müssen ihren Stolz überwinden und andere bitten Dinge für sie zu tun, die sie lieber selber täten. Das ist schwer.
Arbeitslose, die um ein Job betteln, kommen auch nicht gut an.
Die einzigen, die mit dem Bitten kein Problem haben, sind die Kinder.
Viele hier kennen das, wenn eine Kreissäge sich dem eigenen Ohr nähert und wimmert: Och, bitte, Mama, bitte, ich möchte doch so gerne. Alle gucken diese Serie, alle sind auf Facebook. Nur ich nicht. Bitte, bitte.
Die Kinder vergeben sich nichts. Sie haben noch nicht unseren Stolz, sondern sie kennen und akzeptieren im Grunde ihre Abhängigkeit vom Willen der Eltern.
Das hält sie aber nicht ab, den Raum ihrer Wünsche nach Kräften auszudehnen, bis entweder ein kategorisches Nein kommt oder die Nerven der Eltern nachgeben und sie ihren Willen bekommen.
Auf jeden Fall werden die Kinder keine Skorpione oder Schlangen bekommen, wie Jesus sagt, sondern das Ei oder den Fisch, um den sie bitten, was im Rahmen des Möglichen und Gesunden ist.
So, sagt Jesus seinen Jüngern, so redet man zu Gott. So findet man.
Nur was genau eigentlich?
Das erste, was Kinder lernen von ihren vernünftigen Eltern, ist, dass es unsinnig ist, Gott um eine zwei in der Mathearbeit zu bitten. Oder dass man Gott mit der Bitte um einen Parkplatz gar nicht erst kommen darf. Ich halte das für falsch.
Da mir die Schule meistens ziemlich egal war, habe ich persönlich selten um Noten gebetet.
Aber um einen Parkplatz schon hin und wieder. Wenn ich spät dran war. Wenn ich einen wichtigen Termin hatte und wusste, nur wenn ich das Auto jetzt in der Nähe parke, dann schaffe ich es noch.
Und wenn ich dann bete, dann ähnelt das schon ziemlich der Geschichte, die Jesus da seinen Jüngern erzählt. Ich  werde laut, mit mir Auto zu fahren ist nie nur schön, ich lasse Dampf ab und um es gleich vorwegzunehmen, ich  finde nicht immer den Parkplatz, den ich brauche.
Aber ich finde etwas, nämlich eine Stimme, die mir so ungefähr sagt: Wenn du dich nicht auf der Stelle beruhigst und aufhörst, dich und andere durch deine Aggression zu gefährden, schicke ich dir einen fetten Nagel, der sich in deinen Reifen bohrt und dann hast du ein echtes Problem. Na gut, vielleicht nicht mit diesen Worten, aber in einem ähnlichen Sinn.
Vielleicht werden jetzt einige sagen, dass ich hier ein ernstes Thema auf eine lächerliche oder zu alltägliche Ebene hebe.
Ich weiß nicht.
Ich denke, es hat seinen Grund, warum Jesus nach seinen großen, schon fast philosophischen Bitten: Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden, auf so ein banales Brot-Beispiel kommt.
Es geht nicht allein um die Lautstärke in seiner Geschichte.
Laut hämmern könnte auch ein Mensch in Todesangst, in einer verzweifelten Situation. Aber wegen ein paar Broten?  
Es geht darum wie bei den Kindern, die Jesus uns ja immer wieder als Vorbild unter die Nase reibt, es geht darum, das wir wissen, in welchem Rahmen wir leben, dass wir Gott wie früher unsere Eltern als Hüter und Bewahrer unseres Lebens ernstnehmen, auch in unserem Alltag;
dass wir Gott sehen, als einen, der immer zum Gespräch bereit ist, dem man mit allem kommen kann, wie einem Freund, wie einem Vater.  
Und der erwartet, dass er gefragt wird, dass wir ihn Anteil nehmen lassen an allem, was unser Leben ausmacht.
Nur dann kann er auch für uns spürbar auf unser Leben einwirken.
Wenn wir das tun, dann werden wir bei allem Suchen und Bitten und Klopfen auf jeden Fall immer eines finden: Ihn, Gott, immer wieder.
Und dann hört auch irgendwann die Frage nach dem Sinn des Gebetes auf.
Dann sind wir in Übung, wenn in den verzweifelten Situationen unseres Lebens alles zu Ende scheint oder tatsächlich ist.
Dann kommen wir zu Gott mit dem Kummer und der Trauer und unserer Angst und spüren, dass er da ist, wie immer.
Dann nimmt er uns in die Arme, wie eine tröstende Mutter und führt uns wieder zu der Kraft des Gebetes, das uns Jesus gelehrt hat und das uns in die Größe und Weite seiner Liebe führt:
Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Dann kommen wir irgendwann, wenn wir merken, dass Gott uns nahe ist mit seiner Klarheit und seinem Mitgefühl, auch dazu die Welt mehr mit seinen Augen zu sehen und in unsere alltäglichen Bitten mischen sich andere wie „Gib uns die Kraft zum Frieden, der Krieg soll aufhören, keiner soll hungern müssen usw.“ Und diese Bitten führen dann auch hin und wieder zum Handeln.
Es ist kein Zeichen von Selbständigkeit und Coolness und Lebenskraft, wenn jemand meint, ohne das Gebet, ohne den täglichen Bezug auf Gott auskommen zu können.
Es ist kein Zeichen der Schwäche, wenn wir uns im Kleinen wie im Großen immer des Rückhaltes bei Gott versichern.
Es ist eine Stärke.
Sie bewahrt uns vor der Versuchung ohnmächtig aufzugeben oder uns für die alleinigen Herrscher zu halten. Wir nehmen den Raum unseres Lebens wahr, mit allem Schönen, mit allen Grenzen und kommen nicht in Versuchung, gewaltsam, auf Kosten anderer diesen Raum zu sprengen, uns gewaltsam auszubreiten.
Und daher endet auch das Gebet Jesu in der Bibel mit diesen Worten: Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Ich wünsche Lennart und Lilli, die heute hier getauft werden und euch KonfirmandInnen, die ihr in zwei Wochen hier konfirmiert werdet, dass ihr euch traut, darauf zu vertrauen,
dass ihr die Kraft spürt, die Gott jedem schenkt, der sich an ihn wendet,
die Kraft mit Klarheit in der Schule zu überleben und alles, was einem an Gutem dort begegnet zu würdigen und den Rest nicht so ernst zu nehmen,
das Mitgefühl, in jedem anderen Menschen einen Freund, eine Freundin Gottes zu sehen und zu wissen, dass Gott seine Freunde liebt und nicht will, dass ihnen Böses geschieht,
den Mut an das Leben in dieser Welt zu glauben und es zu gestalten,
Jesus zu trauen, der seine ganze eigene Erfahrung mit Gott in diesen Worten zusammenfasst:
Bittet, so wird euch gegeben.
Suchet, so werdet ihr finden.
Klopfet an, so wird euch aufgetan.
Denn wer da bittet, der empfängt.
Und wer da sucht, der findet;
Und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Amen

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