Samstag, 28. Februar 2015

Hebr 11, 8-16 Reminiszere 2015 Der Hunger nach Leben

Hebr 11, 8- 16 Die Gier nach Leben
(Anregungen aus Josuttis, Über alle Engel, Predigten zum Hebräerbrief)




Hebr 11, 8- 16.

Kein maßvoller Text für die Fastenzeit ist der Predigttext für den heutigen Sonntag.
Denn er redet vom Hunger,
dem Hunger, ja der Gier nach Leben.
Er preist die maßlose Suche nach erfülltem Leben
ohne Wenn und Aber,
ohne Sicherheit,
redet von Menschen,
die für ihren Herzenswunsch alles aufgeben,
alles aufs Spiel setzen.

Hebr 11,8-16
Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus ohne zu wissen, wohin er kommen würde.
Durch den Glauben ist er ein Gast gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung.
Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren
Baumeister und Schöpfer Gott ist.
Durch den Glauben empfing auch Sara, die unfruchtbar war, Kraft, Nachkommen hervorzubringen trotz ihres Alters; denn sie hielt den für treu, der es verheißen hatte.
Darum stammen auch von dem einen, der eigentlich schon nicht mehr Vater werden konnte, so viele ab wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres, der unzählbar ist.
Diese alle sind gestorben im Glauben und erlangten aber das Verheißene nicht, sondern sahen es nur von ferne,
grüßten es und bekannten, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind.
Wenn sie aber so sprechen, geben sie zu verstehen, dass sie ein Vaterland suchen.
Wenn sie das Land gemeint hätten, von dem sie ausgezogen waren, hätten sie ja Zeit gehabt, wieder umzukehren.
Nun aber sehnen sie sich nach einem besseren Vaterland, nämlich dem himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott zu heißen; denn er hat ihnen eine Stadt gebaut.

Sie wissen nicht, wohin sie kommen werden.
Sie wissen nur, sie wollen leben.
Sie hungern nach leben,
auch im Alter,
Leben – das heißt Land für sie,
Land mit grünen Wiesen, riesigen Schafherden,
Weintrauben, die ihnen in den Mund hineinwachsen,
und eine feste Stadt, die kein Steppenwind umweht,
ein Traum für Steppenbewohner,
weiß der Himmel, woher sie den haben.

Leben, das heißt, einen guten Namen haben.
Alle sagen:
Abraham und Sara? Ja, kennen wir.
Die stehen auf dem Laufsteg des Lebens und wir sehen sie.

Leben, das heißt aber vor allem, Nachkommen zu haben,
jemandes Vater und Mutter, Großvater und Großmutter, Urahne zu sein,
dessen Geschichte von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Sie wollen nicht, dass man sie aus dem  Buch des Lebens streicht und sagt:
Abraham und Sara? Ja, die gab es wohl mal.
Aber von denen redet keiner mehr.
Gestorben sind sie, alt und enttäuscht, auf ihrer Scholle,
ohne Nachkommen, ohne Hoffnung.
Gelangweilt voneinander und vom täglichen Einerlei,
alt und geduldet und mit dem Nötigsten versehen
von mitleidigen Nachbarn oder dem Essen auf Rädern.
Leben in muffigen Räumen, in die sich kaum ein Gast verirrt.
Keine Enkel, die ihre Weisheit und ihre Liebe brauchen,
toben lachend durch ihre Räume.
Nur die leise Verachtung der Nachbarn:
Die haben ja nicht mal ein Kind zustande gebracht.

So wollen sie nicht aus ihrem Leben gehen.
Sie wissen nicht, wohin sie kommen werden.
Sie wissen nur, sie wollen leben.
Das volle gerüttelte Maß Leben, das wollen sie haben.
Hungrig nach Leben sind sie,
hungrig, fast gierig, als seien sie erst 20 Jahre alt
und die Landschaft des Lebens liege noch offen vor ihnen.
Schamlos sind sie in ihrem Hunger,
peinlich in ihren hemmungslosen Versuchen,
ein Kind zu zeugen,
fruchtbares Land zu finden,
neu anzufangen.
Abraham und Sara, Eltern unseres Glaubens.
Keine vergeistigten Träume sind das,
sehr handfeste Sehnsüchte.

Und Gott schämte sich ihrer nicht, ihr Gott zu heißen; denn er hat ihnen eine Stadt gebaut.
 
Sie weiß nicht, wohin sie das bringen wird.
Sie weiß nur, ihr Name soll genannt werden.
Sie hungert nach Leben,
hungert danach gesehen zu werden,
den Glanz ihrer Seele, deren Schönheit nur sie sieht, vor aller Welt zu zeigen,
sie will die Wand zwischen sich und der Welt niederreißen.
Und nutzt dafür ihren Körper,
Maße: 90-60-90,
volle Lippen, gut zum Schminken,
ebenmäßiges Gesicht.
Schlank?
Das wird sie werden, auch gegen ihre Veranlagung.
Sie hungert nach Leben und hofft es, auf dem Laufsteg zu finden,
hungert sich zum Modell,
und in der Folge,
hungert sich fast zu Tode,
bis der Hunger ihre Seele beinahe aufgefressen hat
und kaum etwas von ihrem Traum einer offenen Welt bleibt.
Ein peinlicher Anblick entblößten Hungers nach Leben.

Aber schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott zu heißen; denn er hat ihr eine Stadt gebaut.

Frei leben, das wollten sie,
und da war ein Stück Land,
Barracken, alte verfallene Gebäude,
ungenutzt trotz der Wohnungsnot in der großen Stadt Kopenhagen,
das besetzten sie gegen alles Recht im Jahr 1971,
Zeitalter der Hippies und der ersehnten Revolution.
Sie rissen die Zäune nieder und ließen ihre Kinder dort spielen,
fingen an dort zu wohnen,
nannten das Land Freistadt Christiania,
wollten bei Null anfangen, eine freie und selbstbestimmte Gesellschaft gründen,
wollten Ruhe für Meditation und Yoga und keinen Erfolg in der freien Wirtschaft,
wollten physisches und psychisches Leid verhindern,
nahmen auch die Drogensüchtigen auf, die am Rand des Lebens liegen blieben,
Weltverbesserer mit großen Zielen und Suchtkranke auf engem Raum.
Regeln?
Ja, die nötigsten, die Gewalt und Ungerechtigkeit verhindern,
keine Früchte aus Südafrika, keine harten Drogen,
dafür aber Canabis in großen Brocken zum freien Verkauf ausliegend.
Heute: Attraktion der Touristen, die in Scharen kommen,
das Verbotene bestaunen
und den Wind der Freiheit von ferne spüren,
aus der heraus diese Stadt entstanden ist.
Alt sind sie geworden in dieser Stadt,
Hippies mit weißem Haar,
die verheißungsvolle Stadt wurde gebaut, die Verheißung steht noch aus,
immer wieder Übergriffe der Staatsmacht oder auch der Drogenmafia,
immer wieder Anschläge wütender Bürger, oder deren Verachtung,
immer wieder auch Feste und Momente erfüllten Lebens.
Und immer noch der Hunger nach Leben,
nach gerechtem Leben,
unerfüllte Sehnsucht,
aber schamlos gelebt, auch im Alter.

Und Gott schämt sich ihrer nicht, ihr Gott zu heißen; denn er hat ihnen eine Stadt gebaut.

Ihre Rechte wollten sie haben,
nicht nach ihrer Hautfarbe beurteilt werden.
Die schwarzen Amerikaner.
Wollten das Wahlrecht und alle anderen Rechte ebenfalls,
zur Schule, auf die Uni gehen, wo sie wollen,
im Kino nicht die Treppen zum Balkon für Non-Whites steigen,
kein Freiwild für Fanatiker sein,
geachtet leben als Menschen,
erfüllt leben ohne Begrenzung.
Und sie setzten alles aufs Spiel,
ihre Arbeit, ihre Gesundheit, ihr Leben,
auf ihren Märschen durch das Land.
Hungernd nach Leben.
Und sie erreichten viel,
auch wenn sie das verheißene Land bis heute nicht wirklich erreicht haben.

Und Gott schämt sich ihrer nicht, ihr Gott zu heißen; denn er hat ihnen eine Stadt gebaut.

Zuhause sein im Land der Verheißung.
Hungernd nach Leben. Erfülltem Leben.
Das hat Abraham und Sara zum Aufbruch getrieben.
„Geh in das Land, das ich dir zeigen werde,
Du sollst der Vater eines mächtigen Volkes sein,“
War das eine klare Prognose, ein sicheres Versprechen Gottes?
Oder war es nicht viel mehr eine Ahnung bei Abraham und Sara,
ein Gefühl von:
So nicht. Das reicht nicht.
Eine Mischung von Hunger nach Leben und Todesangst,
von Neugier und Abenteuerlust,
die ihnen doch gar nicht mehr zustand,
im Alter.
Irgendwo zu Hause sein, das wollten sie.
Und zogen aus, in Zelten zu wohnen.
Und wollten ein Kind, unbedingt,
trotz Menopause und Altersschwäche.
Abraham und Sara,
Vater und Mutter des Glaubens in allen drei großen Religionen.
Glaube, die Kraft etwas zu wollen, was doch offensichtlich über die eigenen Kräfte geht.
Glaube, der Mut aufzubrechen, ohne zu wissen, wohin sie kommen würden.
Glaube, die Zuversicht, dass Gott sie nicht zum Abfall zählt, sie entsorgt auf dem Müllhaufen des Lebens.
Glaube, keine vergeistigte Suche nach dem Himmel,
die handfeste Suche nach dem Himmel auf Erden
auf sehr handfesten Wegen.

Und Gott schämt sich ihrer nicht, ihr Gott zu heißen; denn er hat ihnen eine Stadt gebaut

Abraham und Sara sind aufgebrochen.
In der Fremde wuchsen ihnen die Weintrauben nicht in den Mund,
aber leben ließ es sich da.
Und sie bekamen tatsächlich ihr Kind.
Isaak. Gott lacht.
Gott lacht und schämt sich nicht.
Im Gegenteil: Er setzt noch einen drauf.
Gott preist den Hunger nach Leben, die Sehnsucht nach scheinbar Unerreichbarem
und vergrößert den Traum, lockt mit seiner Verheißung:
Eltern wollt ihr werden?
Das reicht nicht.
Und er führt Abraham unter den Himmel
und zeigt ihm an den Sternen seine künftige Größe als Vater eines ganzen Volkes.
Gott stimmt in Saras Lachen ein und sagt:
Ich sehe was, was du nicht siehst.
Nicht nur Land, nicht nur Zelt, nicht nur Kind.
Ein Volk sehe ich und dazu auch eine Stadt.
Eine Stadt, die alle Träume erfüllt,
die Stadt derer, die nach Leben hungern und deren Träume ins Maßlose gehen.

Queen der Laufstege willst du sein?
Das reicht nicht.
In deiner Seele schlummert ein Talent, das führt dich bis zum Oscar,
wenn uns beiden nicht noch etwas Besseres für dich einfällt.

Freiheit und Gerechtigkeit auf einem Flecken Land in einer Stadt wollt ihr?
Das reicht nicht.
Freiheit und Gerechtigkeit für die ganze Welt will ich, sagt Gott,
wenn wir dabei die Legalisierung von Canabis vielleicht außen vor lassen könnten.
Die Welt erfüllten Lebens für alle, die ist noch nicht.
Aber ihr! 
Wartet darauf!
Lebt darauf zu, sehnt euch danach,
nehmt euch ein Beispiel an denen, die alles dafür geben,
dann kommt sie.

„Alle sind gestorben im Glauben und erlangten aber das Verheißene nicht, sondern sahen es nur von ferne,
grüßten es und bekannten, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind.
Aber sie kehren nicht um.
Sie sehnen sich nach einem besseren Vaterland, nämlich dem himmlischen.
Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott zu heißen; denn er hat ihnen eine Stadt gebaut.“

Sehnsucht das klingt besser als Hunger oder gar Gier, oder?
Aber mir ist dieses Wort zu schwach um zu verstehen,
warum sich ein altes Ehepaar auf ein solches Wagnis einlässt,
warum manche Mädchen so verzweifelt dahinter her sind, Erfolg zu haben,
dünn und schön zu sein,
warum manche ein Leben lang der Gerechtigkeit auf ihre besondere Art hinterherrennen,
sogar ihr Leben dafür aufs Spiel setzen.

Die Ziele und die Wege mögen nicht die unseren sein.
Fremdlinge mögen das sein in unseren Augen.
Aber doch ansteckend in ihrem Hunger nach Leben,
in der Klarheit, mit der sie ihrem Ziel nachrennen.
Sie erinnern mich daran,
dass wir vor zwei Jahren auch so aufgebrochen sind,
einen Traum vor Augen,
Leben der Generationen im Eichkamp,
im Garten, im neu entstehenden Haus in der Kita,
buntes Leben um die Geschichten der Bibel herum,
anziehend, lockend,
weil das Leben aus den Buchstaben springt und viele anspricht,
auch die am Rande.
Der lange Weg dorthin hat viele Kräfte gekostet
und hat den Traum zurechtgestutzt.
Obwohl das Haus Form annimmt,
sehen wir das verheißene und ersehnte Leben bisher nur von ferne.

Aber Abraham und Sara erinnern uns,
dass man uns eben daran erkennen soll,
an unserem Hunger nach Leben,
an unserem Glauben als der Kraft etwas unbedingt zu wollen, was doch offensichtlich über die eigenen Kräfte geht.
an unserem Mut aufzubrechen, ohne zu wissen, wohin wir kommen werden.
an unserer Zuversicht, dass Gott uns bei unserer handfesten Suche nach dem Himmel auf Erden begleitet,
damit es nicht bei der selbstverständlichen Ungerechtigkeit und Gewalt bleibt.
Gott lacht und ermutigt uns:
Wagt euch nach vorne,
brecht auf,
wagt euch auf die Laufstege der Welt,
lasst euch sehen,
schämt euch nicht, wie auch ich mich nicht eurer schäme.
An eurem Hunger nach Leben wird man euch erkennen
und ich, ich habe euch eine Stadt gebaut.
Auf die lauft ihr zu.
Schlafen könnt ihr später.
Amen.

Samstag, 24. Januar 2015

Exodus 34, 29- 35 (Neuer Text in der neuen Perikopenordnung, Reihe IV) Letzter Sonntag n. Epiphanias



Exodus 34, 29- 35 (Neuer Text in der neuen Perikopenordnung, Reihe IV
mit Anregungen von Michael Greßler

(Zentrum für Ev. Predigtkultur, Facebook und der http://www.hagalil.com Seite und den dortigen Thoraauslegungen)

Sie wollten frei sein.
Deshalb waren sie aufgebrochen.
Mose hatte gesagt:
Das ist ein elendes Leben, das Leben als Sklavinnen und Sklaven.
Sie hatten genickt.
Schön war das wirklich nicht.
Auch wenn sie nichts anderes kannten.
Bisher hatten die Fleischtöpfe in Ägypten dafür gesorgt, dass Visionen vom freien Leben flach gehalten wurde.

Aber Mose hatte es geschafft.
Das Brennen des Dornbusches in den Augen redete er zu ihnen von einem Land der Freien,
Milch und Honig,
Würde und Selbstachtung,
und von dem Gott, der sie über sich selbst hinaus führen würde allen Pharaonen zum Trotz.

Sie hatten genickt:
Das klingt gut. Wer will schon Sklave sein?
Und sie folgten ihm.
Den Weg durch das Meer,
den Weg durch Angst und Freude über die Rettung,
den Weg in die Wüste,
den Weg durch Hunger und Durst,
den Weg zum Berg, der das Denken der Menschheit verändern sollte.

Und Mose stieg auf den Berg und hörte dort, wie Gott für alle Menschen dasselbe Recht verkündete.
Egal ob Herrscher oder Knecht:
alle auf Augenhöhe miteinander,
alle werden gemessen an Gottes Gerechtigkeit.
Die Revolution der alten Ordnung war das.
Die erste Verkündung der Menschenrechte.
Mose war darauf vorbereitet, seit er Ja zu der Stimme im Dornbusch gesagt hatte.

Aber das Volk?
Das Volk hatte den Weg in die Freiheit mit den Füßen gemacht.
Aber auch mit dem Herzen, mit dem Verstand?
Die Stimme des Donners, die Wolke, die ihnen den Weg wies, verstanden sie nicht.
Mose musste übersetzen.
Aber Mose war ihnen fremd.
Nicht einer der Ihren,
ungeduldig,
einem Bild nachjagend, das nur er sehen konnte.

In ihren Herzen und Köpfen tanzte noch die Stimme Ägyptens,
der Glanz des Goldes,
die Heiterkeit mancher Abende am Fluss nach getaner Arbeit,
die Nachbarn sind da, das Fleisch auf dem Feuer,
Gemüse und Obst von den fruchtbaren Feldern des Nils,
die relative Sicherheit eines Systems, das sie erhält, weil es sie braucht,
die Musik Ägyptens, die ihre Fragen beschwichtigt,
Reklame für den Gedanken:
Besser es bleibt, wie es ist, wer weiß, was sonst kommt.

Der Jingle dazu: Ohne Sorge, sei ohne Sorge.
Verschluck die Wut,
vergiss, was sein könnte,
für dich, für die anderen.
Tu, was man dir sag.
Nimm das Geld und frag nicht.
Bau deine Hütte, bau dein Haus.
Sorg für die Kinder.
Schau weg, wenn einer weint.
Frag nicht, sorg dich nicht.
Lass es laufen.

Was tun die Sklaven dieser Reklame in der Wüste?
Sie bauen sich einen Herrn, wie sie es in Ägypten gelernt haben.
Ein Standbild aus Gold,
damit der unsichtbare Gott zumindest einen Ort hat
und sie etwas zum Aufschauen, zum Anfassen,
etwas blendend Schönes,
endlich wieder etwas, was sie sehen und verstehen,
die Sprache des Goldes,
die Sprache der Herrn.

Musikimprovisation (Eine Mischung von heiler Welt und Dissonanzen)

(Ingeborg Bachmann im Wechsel mit einer Reklamestimme lesen.
Gleich einsetzen nach der Musik
Reklamestimme mit Heilerweltmelodie begleiten)

Wohin aber gehen wir
ohne sorge sei ohne sorge
wenn es dunkel und wenn es kalt wird
sei ohne sorge
aber
mit musik
was sollen wir tun
heiter und mit musik
und denken
heiter
angesichts eines Endes
mit musik
und wohin tragen wir
am besten
unsre Fragen und den Schauer aller Jahre
in die Traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge
was aber geschieht
am besten
wenn Totenstille

eintritt

Die Musik erstirbt.
Totenstille, als Mose zurückkehrt, nach 40 Tagen auf dem Berg,
in den Händen die Tafeln mit der neuen Ordnung.
Totenstille, als er die Tafeln voll Wut auf die Erde wirft,
das goldene Standbild umstürzt.
Totenstille, in der die Stimme Ägyptens keine Kraft mehr hat,
einfach verstummt,
und sie mit Entsetzen erkennen, dass ihr Leben endet,
hier in der Wüste,
wenn der Traum vom freien Volk endet.
Gott hat keinen Grund, den Traum von Sicherheit und Gold zu fördern.
Totenstille, als Mose, Wut und Verzweiflung im Gesicht,
wieder kehrtmacht
und zurück auf den Berg geht
und mit Gott redet.

Mose erkennt: Ich bin der Einzige, der sich wirklich geändert hat.
Die anderen hören auch in der Wüste noch die Stimme Ägyptens,
die ewige Reklame für das eigentlich Undenkbare,
dass Ungerechtigkeit und Leid und Tod kein Ende nehmen werden,
diese Reklame für den Rausch des Jetzt,
der die  Fragen nach Leben und Gerechtigkeit verdrängt.
Wie soll ein solches Volk jemals die Regeln der Freiheit Gottes verstehen,
geschweige denn leben?
Wie sollen sie für die Welt die Flagge der Gerechtigkeit hochhalten,
der Grund, warum Gott sie erwählt hat?
Gott teilt die Verzweiflung des Mose und gemeinsam arbeiten sie sich da raus,
können nicht ablassen von der Hoffnung,
dass der Weg der Gebote Gottes ein Weg der Menschen werden wird.
Und Gott sagte bei sich:
„Ich will, dass sie sehen, wie ein freier Mensch aussieht,
wie er leuchtet,
welche Freude, welche Erfüllung es bedeutet, meinen Weg zu gehen.“


Und so hören wir aus dem 2. Buch Mose, Kapitel  34:
Als Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner
Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.
Als aber Aaron und ganz Israel sahen, dass die Haut seines Angesichts
glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen.

Orgelimprovisation zu Gold (schon mal aufgeführt. Sehr beeindruckend.)

Da rief sie Mose und sie wandten sich
wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen.
Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten.
Und er gebot ihnen alles, was Gott mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai.
Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht.
Und wenn er hineinging vor Gott, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er heraus kam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war,
sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

Die Menschen fürchten sich, als sie Mose im Glanz erblicken.
Sie spüren:
Dieser Glanz, das ist der Abglanz der Herrlichkeit,
der unmittelbaren Gegenwart Gottes.
Die befreit, ist Freude und Befreiung,
aber die ist auch schwer.
Nicht jeder kann sie tragen.
Nicht jede kann sie ertragen.
Wenn Gott mir direkt begegnet, dann fällt meine dicke Haut ab,
mein Schutz gegen das Außen.
Dann öffne ich die Augen und öffne mein Herz und nichts bleibt mir verborgen.
Ich sehe alles, was sich gegen Gottes Recht wendet und das schmerzt.
Wie soll ich die Stimmen ertragen, wenn ich so schutzlos offen bin?

Du hörst eben alles.
Du hörst, wie sie zweifeln, um die Fleischtöpfe Ägyptens jammern.
Du hörst das Wimmern der Reklame:
Kauft, Leute, kauft und denkt nicht nach,
vergesst die Träume. Sie sind zu groß für euer Herz.
„Du hörst, wie sie in den Häusern streiten.
Du hörst, wie sie einander auslachen auf dem Schulhof.
Du hörst das böse Getuschel hinter dem Rücken.
Du hörst Schüsse fallen.
Du hörst, wie Mütter um ihre Söhne weinen.
Du hörst Stockschläge auf blutenden Rücken.
Du hörst Hassgesänge auf winterlichen Straßen.
Du hörst, wie Kranke stöhnen.“ (Greßler)
Und du hast keinen Schutz dagegen,
wie auch Gott sich nicht schützt,
sondern hört, alles hört und es sich nahe gehen lässt.

Mose hat sich ein Zelt gebaut,
um sich nicht gleich wieder in diesen Stimmen zu verlieren.
Er zieht sich eine Decke über den Kopf, wenn er hinaus kommt.
Nicht nur um das Volk zu schonen,
vor allem als Schutz gegen die Stimmen, die ihn vom Berg herunterholen.
Auch Jesus ging auf den Berg.
Nur dort konnte er dem Glanz Gottes begegnen,
nur dort sein Herz ganz und gar öffnen,
unter seinen Vertrauten,
in einem Moment der Stille,
weit weg von dem Stimmen der Welt,
im Einklang mit Gott.

Was wir brauchen?
Mutige Menschen, die es wagen und zurücktreten in einen Ort der Stille und auf Gott hören.
Mutige Menschen, die es wagen und den Gesang des Goldes abschalten.
Mutige Menschen, die es wagen, auf die Stimme Gottes zu hören,
die sagt, immer wieder:
Ich bin der, auf den du hören sollst, dein Gott, der dich aus Ägyptenland befreit hat, du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Wir brauchen mutige Menschen, die kein Volk brauchen,
auch keinen Gott, der sie bestätigt in ihrer Lebensweise,
mutige Menschen, die hinsehen.

Sie öffnen sich dem befreienden Glanz Gottes
und, kaum vorstellbar für uns,
sie sind befreit von der Sorge um sich selber.
Die Zeit steht still.
Sie tragen Gott im Herzen und leuchten.
Und in die Stimmen der Welt hinein erheben sie ihre häufig so einsame Stimme
und reden,
etwa so, wie es dieser unbekannte Mensch aus Lateinamerika tut:

Ich will ein Bote der Hoffnung sein;
Licht bringen in meinen Augen,
leidenschaftliche Unruhe in meinen schwachen Händen
und die belebende Kraft Gottes in meinen Worten.
Ich will einer sein, der Freiheit sät
unter den Menschen, meinen Brüdern und Schwestern -
das Reich zu bauen auf dieser Erde, dieser guten - und unserer!
Ich will den Frieden ansagen
mit Füßen, die nicht entweiht sind vom Gold.
Ich werde nicht gehen auf den Wegen der Ungerechtigkeit.
ich werde mich nicht abfinden mit der Unterdrückung der Ärmsten.
ich werde Kraft trinken dort, wo das Volk trinkt,
und werde meinen Platz haben, wo es ein menschliches Wesen gibt.
Mein Schweigen wird das geheimnisvolle Schweigen sein, mit dem sich die Niedrigen dieser Erde ernähren.
Ich werde mein Herz nicht verkaufen durch die Lüge;
niemals werde ich die Wahrheit stumm machen.
ich werde sein wie das Schweigen, das niemals bemerkt wird;
und doch empfindet es zuinnerst
den Schmerz und die Hoffnung eines jeden Menschen.
Glücklich der Mensch, der so sein Lebens erbaut,
denn er wird geschmäht und verfolgt werden von vielen.
Aber fest wird er bleiben in seinem Herrn,
denn der Herr, sein Gott, hat ihn gerufen von jeher.
(aus: Hermann Brandt, Die Glut kommt von unten, 1981)

Machen wir uns gegenseitig Mut,
laden wir Gottes Glanz in unser Leben ein.
Leuchten ungeschützt.
Schicken die Worte von Gottes Gerechtigkeit in die Welt.
Es ist einfach so:
Unsere Stimme wird gebraucht.
Amen