Samstag, 22. September 2012

Der selbstsüchtige Riese (nach Oskar Wilde) Erntedank und Kitaeinweihung 2012


Der Selbstsüchtige Riese (nach einer Erzählung von Oskar Wilde)

Erzähler:           Es war einmal vor langer Zeit, da lebte ein Riese mit Namen Hans. Hans hatte ein Haus und einen großen Garten. Einen wunderschönen Garten. Er lebte dort alleine.
Ab und zu machte er eine Reise und besuchte seinen Freund Peter.
Der war auch ein Riese und die beiden verstanden sich gut.
Immer wenn sie sich sahen, hatten sie viel zu erzählen und zu besprechen. Ein Besuch dauerte immer Jahre.
Gerade ist Hans wieder bei Peter. Hören wir ihnen einen Moment zu.

Hans:                  Ach, Peter, du bist mein bester Freund, also verstehe mich nicht falsch, aber ich glaube, ich muss mal wieder nach Hause reisen.
Peter:                  Ach, Hans, weißt du, ich habe dich gerne zu Besuch. Aber jetzt, nach sieben Jahren könnten wir wirklich mal wieder eine Pause vertragen. Mir fällt nichts mehr ein, worüber wir reden könnten.
Hans:                  Du hast Recht. Ich muss ja auch mal zu Hause nach dem Rechten sehen.
Peter:                  Wer weiß, wer sich da in deinem schönen Garten herumtreibt.
Hans:                  Das wagt keiner. Die Leute wissen, dass ich ganz laut brüllen kann. Die haben Angst vor mir.
Peter:                  Wer weiß. Immerhin warst du sieben Jahre nicht zu Hause.
Und ich habe gehört, das Kinder ziemlich neugierig sind und immer einen Platz suchen zum… Was tun Kinder nochmal immerzu?
Hans:                  Spielen?
Peter:                  Richtig, spielen. Wozu soll das gut sein? Weißt du das?
Hans:                  Keine Ahnung. Ich habe nie gespielt.
Peter:                  Ich auch nicht. Ist bei Riesen ja auch nicht üblich. Wir lernen laut zu brüllen, damit alle Respekt vor uns haben.  
Hans:                  Ja, genau. Respekt fehlt den Kindern von heute. 
Peter:                  Du hast Recht. Diese Kinder! Die wollen sich einem auf den Schoß setzen und am Bart zupfen! Und man soll ihnen Geschichten vorlesen und einen Ball hin und her schießen. Habe ich gehört.
Hans:                  Unmöglich!
Peter:                  Du sagst es.
Hans:                  Und ihre hohen Stimmen und dieses Kreischen! Kaum zum Aushalten.
Peter:                  Woher weißt du das?
Hans:                  Ich habe sie manchmal auf der Straße gehört. Und dann wollen sie immer Eis.

Peter:                  Pfui Teufel. So eine matschige, labrige Sache. Ein anständiges Stück Fleisch ist mir lieber.
Hans:                  Mir auch.
Peter:                  Wollen sie auch in deinen Garten?
Hans:                  Kann schon sein, aber da traut sich kein Kind rein, aus Angst vor mir. 
Ich will das auch nicht. Der Garten gehört mir. Ich will meine Ruhe haben.
Die Kinder sollen sich daran gewöhnen, dass sie nicht alles tun können, was sie wollen.
Gebt ihnen ein Eckchen Spielplatz, einen Lehrer, der aufpasst. Das reicht doch! Aber jetzt mache ich mich mal auf den Weg. Mach’s gut, Peter, man sieht sich.
Peter:                  Alles Gute, Hans. Bis dann. (klatschen sich gegenseitig auf die Hände)
Riese:                 (geht und wandert durch den Raum)
Kinder:               (kommen und spielen)
Kind 1:               Ach, ist das schön, dass es diesen wunderbaren Garten gibt.
Kind 2:               Ja, auf diesen Bäumen kann man so schön klettern.
Kind 1:               Und auf dem Rasen kann man Fußball spielen.
Kind 2:               Und kein Auto kommt uns in die Quere.
Kind 1:               Wem gehören eigentlich der Garten und das Haus hier?

Kind 2:               Meine Mutter sagt, einem Riesen, aber der ist schon lange nicht mehr da gewesen.
Kind 1:               Na, hoffentlich bleibt der noch lange weg.
Riese:                 (kommt und sieht die Kinder, stemmt die Arme in die Seiten, schreit) Na sagt mal, was tut ihr denn hier?!
Kinder:               (erstarren vor Schreck) Huch!! Der Riese.
Riese:                 Haut bloß ab. Raus aus meinem Garten. Das ist mein Garten. Da geht niemand rein, außer mir. Hier (holt Schild „Eintritt sehr verboten!“), schreibt euch das hinter die Ohren und jetzt weg mit euch, bevor ich noch deutlicher werde (zeigt vielsagend seine Hand).
Kind 1:               Nichts wie weg hier. (Kinder rennen weg.)
Riese:                 So und jetzt baue ich eine Mauer. Dann kommt keiner dieser Kinder da rein. (nimmt Kartons) Das kann doch nicht wahr sein, spielen die in meinem Garten.
Erzähler:           Und so baute der Riese eine hohe Mauer um seinen Garten. Und ließ niemandem mehr hinein. Der Sommer ging dahin, der Herbst kam, die Blätter fielen und bald schon deckte eine Schneedecke alle Bäume und Gräser des Gartens zu. Und der Winter kam (Decke über den Baum hängen) und der Winter ging und überall begannen die Blätter an den Bäumen hervorzuschauen und Blumen blühten und der Frühling hielt Einzug. Nur im Garten des Riesen blieb alles weiß und kalt. Der Nordwind pfiff und der Riese wunderte sich.
Riese:                 Meine Güte! Kommt der Frühling dieses Jahr aber spät. Was ist denn nur los?
Erzähler:           Das konnte der Riese natürlich nicht wissen, aber die Jahreszeiten hatten gesehen, wie der Riese die Kinder aus dem Garten vertrieben hat. Sie waren sehr ärgerlich und unterhielten sich darüber:
Frühling:           Ich will nicht mehr in den Garten des Riesen kommen. Der denkt nur an sich. Wieso soll ich da die Apfelbäume zum Blühen bringen?
Sommer:            Du hast recht, Frühling. Der Riese ist gemein zu den Kindern. Ich werde auch nicht kommen und die Äpfel reifen lassen. Was meinst du Herbst?
Herbst:               Ich stimme euch zu. Das wäre ja noch schöner, dass der mit Obst und Nüssen belohnt wird. Kommt gar nicht in Frage. Winter, spielst du mit?
Winter:              Na klar doch, kein Problem. Ich bin gerne mal etwas länger vor Ort. Da kann ich mich so richtig austoben.
Erzähler:           Und so blieb der Winter im Garten des Riesen und der Riese verließ das Haus nicht mehr, weil der Schnee so hoch lag und der Nordwind so pfiff. Ein Jahr lang saß er im Haus und wunderte sich. Doch dann, eines Tages, sang plötzlich eine Amsel vor seinem Fenster. Er hatte Vogelstimmen so lange nicht mehr gehört, dass ihm das wie der schönste Gesang der Welt vorkam.
Riese:                 Ach, da kommt ja der Frühling. Ich schaue mal raus. Ohhh.
Erzähler:           Was der Riese sah, kam ihm wie ein Wunder vor. Überall entfalteten sich grüne Blätter, streckten Blumen ihre Köpfe aus der Erde, finden die Blüten an den Bäumen an zu blühen. Was war geschehen? Seht selbst.
Kind 1:               Kommt, das Loch in der Mauer ist sehr praktisch,  wir kriechen durch. Huch, hier ist ja noch Winter.
Kind 2:               Aber sieh nur, der Winter verzieht sich. (Decke vom Baum ziehen). Wir können wieder spielen.
Kind 1:               Der Riese ist sicher wieder vereist, oder?
Kind 2:               Ja, sicherlich, wir haben ihn lange nicht gesehen.
Kind 1:               Schau, da kommt er.
Kind 2:               Nichts wie weg. (wollen wegrennen)
Riese:                 Halt, halt, wartet.
Kinder:               (zögern)
Riese:                 Tut mir leid, Kinder. Ich war ein Dummkopf. Ein Riesenblödmann.
Kind 1:               Na, na, nun ist es ja gut.
Kind 2:               Was heißt das denn?
Kind 1:               Ja, das kann ja jeder sagen.
Riese:                 Wozu blühen die Bäume und die Blumen, wozu wächst das Gras auf meinem Rasen, wenn keine Kinder da sind, die sich daran freuen?
Kind 2:               Ich glaub’s ja nicht.
Riese:                 Ich hatte ein eisiges Herz. Aber das ist nun getaut. Und ich freue mich sehr, dass ihr da seid. Bitte geht nicht wieder weg. Schaut, ich reiße die Mauer ein.
Kind 1:               Und wir dürfen hier immer rein?
Riese:                 Immer. Und ihr dürft spielen, was ihr wollt.
Kind 2:               Auch Fußball? Hier auf dem Rasen?
Riese:                 Ja, wenn ihr nur ein wenig aufpasst, dass... Ach, was, natürlich auch Fußball, was kümmern mich schon Löcher im Rasen und ein paar braune Stellen?!
Kind 1:               Das ist toll. Du hörst dich an, als könntest du unser Freund werden.
Riese:                 Ja, wirklich? Das freut mich aber sehr! Das müssen wir feiern!
Kind 2:               Ein guter Freund besorgt Eis, wenn er mit seinen Freunden feiern will...
Riese:                 Eis? Aha. Na gut, ich meine, natürlich, gerne, bin gleich wieder da. Setzt euch solange.
Erzähler:           Alles wurde anders. Die Kinder spielten vom Frühjahr bis zum Herbst im Garten des Riesen und der Riese half ihnen geduldig beim Bäumeklettern und im Fußballtor war er der Beste.
Auch im Winter besuchten die Kinder den Riesen im Schloss.
Der Garten des Riesen blieb für sie ein sicherer Platz, der ganz ihnen gehörte.
Nach zwei Jahren erhielt Peter, der Freund des Riesen, einen Brief von Hans.
Peter:                  (hält den Brief in der Hand) Ahh, Post. Von Hans. Na, mal sehn, was er schreibt.

„Mein lieber guter Freund!“
Nanu, was ist denn mit Hans los? Der ist doch sonst nicht so überschwänglich.
„Gerade sitze ich unter meinem Baum und (stutzt)... und schaue den Kindern zu“?
Den Kindern? Also, was ist denn da los?
„Ich bin so glücklich. Ja, ich kann sagen, ich bin zum ersten Mal in meinem Leben wirklich glücklich.
Vor mir pflücken die kleine Anna und die kleine Kaja Blumen. Ihre Großmutter hat Geburtstag und sie wollen ihr einen schönen Blumenstrauß schenken. Da dürfen sie natürlich die schönsten Blumen aus meinem Garten nehmen.“
Natürlich? Diese Kinder rauben seinen Garten aus und der nennt das ‚natürlich“?!
„Gerade kommt der kleine Felix und erzählt mir vom Religionsunterricht. Da haben sie die Geschichte der Schöpfung erzählt bekommen und ich habe gelernt, dass Gott die Welt wie einen Garten geschaffen hat. Damit alle sich daran freuen können.“
Also das ist mir neu.
„Mein alter Freund, ich nehme an, dass du sehr erstaunt bist, solches von mir zu hören.
Aber ich sage dir, ich habe meine Meinung doch sehr geändert. Über das Leben im Allgemeinen und über die Kinder im Besonderen. Du glaubst ja gar nicht, wieviel Spaß es macht, mit ihnen zu spielen. Ich habe da sehr viel nachzuholen, wie du weißt.
Ich glaube, wir Riesen haben das Spielen einfach sehr unterschätzt.
Meine Mutter hat immer gesagt: Lerne Lesen und schreiben und rechnen und ehre deine Eltern. Lerne wie ein Riese zu brüllen und iss, was auf den Tisch kommt. Dann kommst du durchs Leben.
Aber das macht das Leben nicht aus. Ich habe mich zu einer anderen Ansicht bekehrt: Gott hat uns das Leben geschenkt, damit wir zusammen Spaß haben, damit wir genießen, was er uns schenkt, in der Natur und durch unsere Mitmenschen.
Und ich sage dir, alter Freund, niemand kann einem das Spielen und Genießen so gut nahebringen, wie gerade die Kinder.
Irgendwie sind sie Gott näher, habe ich den Eindruck.“
Ist der jetzt ganz durchgedreht? Was noch?
„Neulich erzählte mir ein Kind ganz aufgeregt, dass eine Kita geschlossen werden soll. Es gäbe kein Geld für die nötigen Reparaturen. Die Bürgerversammlung habe sich entschieden, andere Kitas zu fördern. Was soll ich dir sagen?
Ich habe mich aufgerafft und meinen Garten verlassen und habe mich bei der Bürgerversammlung gezeigt und meine Stimme erhoben. Erstaunlich, wie fügsam Menschen plötzlich werden können, wenn sie einem Riesen begegnen. Na, die Kita ist jedenfalls gerettet.
Ich wünschte mir sehr, dass du mich diesmal besuchst und an meinem Glück teilhaben könntest.
Du hast es auch nötig, das Leben von der anderen Seite zu sehen.
Das wünscht dir mit liebsten Grüßen, dein alter Freund Hans.
Mit liebsten Grüßen? Die haben den fertig gemacht. Das ist doch kein ordentlicher Riese mehr. Ich mache mich sofort auf den Weg. Hans braucht Hilfe. Dringend. Hans, ich komme. Ich hole dich da raus. Ich helfe dir. (geht währenddessen ab).
Erzähler:                  Dass Peter damit wenig Erfolg hatte und selber so angesteckt wurde von der Freude an den Kindern, dass er sich entschloss, bei Hans zu bleiben und beide Riesen zu den Schutzherren der Kinder der kleinen Stadt wurden, das ist dann eine andere Geschichte.

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