Mittwoch, 30. Oktober 2013

Anspiel und Predigt zum Reformationstag 2013 Luther in Worms, Jes 62, 6.7.10-12



Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Martin Luther in Worms

Pfarrerin              Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Ein berühmtes Wort, auch wenn Martin Luther, dem man es in den Mund gelegt hat, es nicht gesagt hat.
Aber das macht nichts, denn es gibt seine Haltung gut wieder.
Ich kann nicht anders, ich muss so reden und handeln. So redet jemand, der in die Ecke gedrängt wird und sich verteidigen muss und dabei keinen Schritt von seiner Haltung abrücken kann.
Wie das aussehen kann, dazu ein kleines Beispiel von heute.

Mutter:                Lars, das große Glas mit dem Kleingeld ist leer.
Lars:                    Ja.
Mutter:                Was heißt hier „Ja?!“
Lars:                    Ja, es ist leer.
Mutter:                Und warum ist es leer?
Lars:                    Weil ich es geleert habe.
Mutter:                Auf den Gedanken bin ich auch schon gekommen. Und warum hast du es geleert?
Lars:                    Weil ich das Geld brauchte.
Mutter:                Und wofür? Verdammt noch mal, Lars, lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Das waren über 200 Euro. Die haben wir doch für den Urlaub gespart, für Eis und so weiter. Und ich will sofort wissen, was du damit gemacht hast.
Lars:                    Also, das war so. Es klingelte vorhin an der Tür und da war ein alter Mann und der fragte, ob er etwas zu essen haben könnte.
Mutter:                Du sollst doch Fremden nicht die Tür aufmachen.
Lars:                    Und der tat mir so leid und die Religionslehrerin hat gesagt, Jesus wollte, dass wir überschwänglich die Liebe Gottes weitergeben. Und da dachte ich, ein Brot, das ist nicht überschwänglich.
Mutter:                Erzähl mir nicht, du hast ihm das ganze Geld aus dem Glas gegeben?!
Lars:                    Doch. Ich konnte nicht anders. Ich wollte ihn unbedingt glücklich machen. Weil Gott doch alle liebt und ihm ist es egal, ob da ein alter Säufer steht. Der kriegt auch eine Chance.
Mutter:                Eine Chance sich bei Aldi mit dem Nötigsten zu versorgen. Bei dir piept’s wohl. Ein alter Säufer läuft nun rum mit meinen Euros.
Lars:                    Unseren Euros.
Mutter:                Sei still! Du kannst doch nicht jedem, der klingelt, einfach unser Geld geben.
Lars:                    Ich weiß. Nicht jedem. Nur ihm. Und nun ist das Glas ja auch leer. Aber der war so glücklich.
Mutter:                Kein Wunder.
Lars:                    Nicht nur wegen des Geldes.
Mutter                 Wie konntest du das nur tun?!
Lars:                    Tut mir leid, ich konnte nicht anders. Es drängte mich Gutes zu tun.
Mutter:                Es drängte...? Ich weiß eine ganze Menge, was du tun könntest, ohne unser Geld einfach wegzugeben. 

Pfarrerin:             Die Diskussion ist noch nicht zu Ende, wie Sie sich denken können. Aber für unsere Zwecke reicht es. Hier stehe ich, ich kann nicht anders, als von der Liebe Gottes zu reden und danach zu handeln.
Schauen wir auf eine Szene in Martin Luthers Leben, eine wichtige, die die Weichen in seinem Leben endgültig gestellt hat und zu den schwersten Stunden seines Lebens gehört.
Wir befinden uns in Worms im Jahr 1521.
Der Kaiser hat Luther auf den Reichstag bestellt. Zum Verhör. Und Luther soll seine Schriften wiederrufen. Wird er das tun oder bei seiner Erkenntnis von Gott und bei seiner Kritik an der Kirche bleiben?
Machen wir ihm Mut mit folgendem von ihm selbst gedichteten Lied: 

299, 1.3 Aus tiefer Not schrei ich zu dir

Hier haben wir den Kaiser Karl. (Karl kommt herein und nimmt Platz). Er will ein Universalkaiser werden und ist auf dem besten Wege dorthin. Gerade zwei Jahre zuvor ist er von den Fürsten als König bestätigt worden, was ihn viel Geld gekostet hat. Dass da so ein kleiner Mönch beginnt, an den Grundpfeilern der Kirche zu rütteln, passt ihm gar nicht. Karl ist ganz auf der Seite der katholischen und damals einzigen Kirche.
Karl:                    Ich werde diese Reformation im Keim ersticken.
Pfarrerin:             Dann der Orator, eine Art Regierungssprecher. (Orator kommt)
Orator:                 Haben eure Majestät Befehle?
Pfarrerin:             Dann gab es natürlich viel Publikum, das wir hier ein wenig  reduziert haben  (zwei kommen)
Zuschauer 1:        Wehe, Luther wird schwach. Ich habe einen Taler darauf gesetzt, dass er durchhält.
Zuschauer 2:        Das ist aber unfein. Ich drücke ihm auch so die Daumen, im Namen der Freiheit.
Pfarrerin:             Im Publikum sitzt auch der Vater von Luther. (Vater kommt)
Vater:                   Mein Sohn ist größenwahnsinnig. Ich hätte ihn einsperren sollen, als er ins Kloster wollte. 
Pfarrerin:             Und wir haben Luther selber. (Luther tritt vor den Kaiser).
Luther:                 (Kommt rein, stellt sich vor den Kaiser und neigt etwas den Kopf.)
Zuschauer 1:        Schau dir den an. Der kniet ja nicht mal.
Zuschauer 2:        Der ist toll. Ich habe eine Predigt von ihm gehört. Gott straft nicht, Gott öffnet uns die Tür zum Leben. Er vergibt und liebt uns.
Zuschauer 1:        Seit wann?
Zuschauer 2:        Schon immer.
Zuschauer 1:        Das heißt, das ganze Geld, das ich für den Ablass gegeben habe, um nicht in die Hölle zu kommen, war verschwendet?
Zuschauer 2:        Jap.
Zuschauer 1:        Sauerei.
Zuschauer 2:        Du sagst es.

Karl:                    So, so, Luther.
Luther:                 (hebt den Kopf) Jawohl, kaiserliche Majestät.
Karl:                    Luther, der die Unverschämtheit hatte, die Leute aufzuhetzen.
Luther:                 Zu belehren.
Karl:                    Schweig, du kleiner Mönch mit dem großen Maul!
Luther, das Wildschwein, das im Garten des Herrn wildert und Unfrieden sät. Du hattest sogar die Unverschämtheit, unserem Papst deine Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ zu widmen.
Luther:                 (Wird immer bescheidener) Ich wollte...
Karl:                    Schweig. Du hast viel Ärger gemacht.
Luther:                 (ängstlich) Ich weiß.
Karl:                    So, so, du weißt. (drohend) Dann weißt du ja auch, was passiert, wenn du deine Schriften nicht widerrufst?
Luther:                 Ja.
Kaiser:                 Orator?
Orator:                 Mein Herr?
Kaiser:                 Die Bücher.
Orator:                 Sehr wohl, mein Herr und Kaiser. (holt stapelweise Bücher und legt sie vor Luther hin.) Sind das deine Bücher?
Luther:                 Sieht so aus.
Orator: (wird lauter)  SIND DAS DEINE BÜCHER?!
Luther:                 Ja.
Orator:                 Wirst du die darin enthaltene Lehre widerrufen oder bestehst du darauf, dass du Recht hast.
Luther:                 (zögert, blickt sich um, richtet sich dann gerade auf und sagt fest)
 
Zwei Fragen sind mir von der kaiserlichen Majestät vorgelegt worden: ob ich alle Bücher, die meinen Namen tragen, als meine anerkennen wolle, und ob ich diese verteidigen oder widerrufen wolle.
Darauf will ich klar und deutlich antworten: Die jetzt genannten Bücher erkenne ich als meine Bücher an.
Zur zweiten Frage aber kann ich nicht in Kürze Antwort geben. Denn sie ist eine Frage des Glaubens und der Seelen Seligkeit. Deshalb wäre es gefährlich, wenn ich mich hier unbedacht äußern würde. Dies würde mir das Urteil Christi einbringen: "Wer mich verleugnet vor den Menschen, den will auch ich verleugnen vor meinem himmlischen Vater." Deshalb bitte ich von der kaiserlichen Majestät untertänig Bedenkzeit, damit ich ohne Gefahr für meine Seligkeit auf die Frage richtig antworte.
Kaiser:                 Was für ein Geschwätz. (berät sich flüsternd mit dem Orator)  Also gut. Morgen will ich deine Antwort.
Zuschauer 1:        Oh, oh, das sieht nicht gut aus.
Zuschauer 2:        Hach, was für ein toller Mann, ein Bild von einem Mann, von Mut und Kraft.
Vater:                   Mut und Kraft? Dass ich nicht lache. Der Bengel da vorne ist mein Junge. Ich habe in den Kerl investiert. Schulbildung, Universität.
Ich habe versucht einen Mann aus ihm zu machen. Und was macht der Kerl? Macht sich bei einem Blitzeinschlag in die Hose und verspricht ins Kloster zu gehen. Dort macht er sich weiter in die Hose, weil er so einen Schiss vor Gott hat und vor den Höllenstrafen.
Als ob ein vernünftiger Mann sich groß darum kümmert.
Man geht seinen Geschäften nach und zahlt den Ablass und macht sich nicht mehr Gedanken als nötig.
Dann verschüttet er bei seiner Priesterweihe beim ersten Abendmahl vor lauter Angst den Wein.
Und jetzt? Jetzt faselt er von der Liebe Gottes und der Freiheit der Menschen vor Gott. Und weil die Leute ihm scharenweise nachrennen, beschließt er es mit der ganzen Kirche und dem Kaiser aufzunehmen.
Der Junge spinnt.
Zuschauer 1:        Aber nein. Er ist ein Held.
Vater:                   Ein Held? Lassen Sie mich bloß mit diesem Mist in Ruhe.
Pfarrerin:             Die Nacht, die Luther schlaflos verbrachte, war keine angenehme. Noch konnte er zurück in den Schoß der Kirche. Eine andere gab es nicht. Durfte er wirklich so vermessen sein und gegen den Kaiser und gegen den Papst auftreten? Aber andererseits konnte er wirklich wieder hinter das zurück, was er erkannt und verkündet hatte? Nein. Der nächste Morgen kam und Luther kam wieder vor den Kaiser.

Kaiser:                 So, so, Luther.
Luther:                 Ja, kaiserliche Majestät?
Kaiser:                 Ausgeschlafen?
Luther:                 Gar nicht geschlafen, kaiserliche Majestät.
Kaiser:                 Selbst schuld. Orator!
Orator:                 Sind das deine Bücher?
Luther:                 Ja.
Orator:                 Wirst du die darin enthaltene Lehre widerrufen oder bestehst du darauf, dass du Recht hast?
Luther:                 Wenn diese Bücher nicht listig geändert wurden und es wirklich die sind, die ich geschrieben, dann habe ich folgende Antwort:
Meine Bücher haben nicht alle den gleichen Inhalt. In einigen habe ich vom christlichen Glauben und von guten Werken so christlich gelehrt, dass sogar der Papst bekannt hat, sie seien nützlich, ja würdig, von christlichen Herzen gelesen zu werden, obwohl er auch diese verurteilt.
Wenn ich diese Bücher widerrufen wollte, was würde ich dann tun? Ich würde als jemand dastehen, der die von Freund und Feind einmütig bestätigte Wahrheit plötzlich leugnen würde.
Kaiser:                 Zur Sache, Luther, aber ein bisschen plötzlich.
Luther:                 In einer zweiten Abteilung meiner Bücher werden das Papsttum und die päpstliche Lehre angegriffen. Denn von ihnen ist mit falscher Lehre, bösem Leben und ärgerlichen Erscheinungen die Christenheit an Leib und Seele verwüstet worden. (senkt den Kopf, als müsste er wieder Kraft holen.)
Zuschauer 2:        Der ist lebensmüde.
Zuschauer 1:        Keine Sorge. Sein Freund, der Kurfürst Friedrich, hat für ihn freies Geleit erwirkt. Selbst wenn der Kaiser den Bann über ihn verhängt und ihn für vogelfrei erklärt, dann kommt er hier lebend raus.
Zuschauer 2:        Bis an der nächsten Ecke die Soldaten warten.
Vater:                   Ruhe. Ich will zuhören.
Luther:                 Dies kann niemand bestreiten, und alle frommen Menschen klagen darüber, dass durch die päpstlichen Gesetze und Menschenlehren die Gewissen der Christgläubigen beschwert und gequält worden sind.
Wenn ich nun diese Angriffe widerriefe, dann würde ich die päpstliche Gewaltherrschaft unendlich stärken.
Kaiser:                 Die päpstliche Herrschaft ist eine segensreiche für die Welt. Sie gehört gestärkt.
Luther:                 Nein. Wenn ich widerriefe, würde ich ihrem gottlosen Wesen nicht nur die Fenster, sondern auch Tor und Tür öffnen. Sie könnte dann noch viel freier wüten, denn sie könnte sich dann auf meinen Widerruf berufen.
Kaiser:                 Du bist lebensmüde. Der Papst ist unfehlbar und ich werde die Einheit der katholischen Kirche wahren und verteidigen, solange noch ein Atemzug in mir ist. Kannst du die Welt ohne die Kirche vorstellen, die du im Begriff bist zu zerstören?
Luther:                 (schweigt)
Kaiser:                 (schüttelt den Kopf) Weiter.
Luther:                 Die dritte Gruppe meiner Bücher richtet sich gegen jene Personen, die die päpstliche Gewaltherrschaft verteidigt und meine Auslegung der gottseligen Lehre angegriffen haben.
Gegen diese bin ich - das bekenne ich - manchmal etwas scharfer und heftiger vorgegangen, als es unter Christen richtig gewesen wäre. Ich mache mich nicht zu einem Heiligen; es geht jedoch nicht um meine Eigenarten, sondern um die Lehre Christi.
Deshalb kann ich auch diese Bücher nicht zurücknehmen. Würde ich sie widerrufen, so würde ich die päpstliche Gewaltherrschaft und ihre gottlosen Folgen unterstützen. Das Leiden des Volkes Gottes würde dadurch noch viel schlimmer als es jetzt schon zu beklagen ist.
Für alle meine Bücher gilt: Weil ich nur ein Mensch, nicht Gott bin, darum kann ich sie nicht anders verteidigen als mein Herr und Heiland Jesus Christus. Dieser hat in seinem Verhör vor dem Hohepriester Hannas, als dessen Knecht ihm eine Ohrfeige gab, geantwortet:
Habe ich übel geredet, so beweise, dass es böse war. (Job 18,22 f.) Wenn nun Jesus bereit war, sich widerlegen zu lassen, und sei es von einem unbedeutenden Knecht, dann muss ich erst recht begehren, mich eines Besseren belehren zulassen.
Kaiser:                 (schreit) Vergleichst du dich etwa mit Jesus Christus, unserem Herrn?!
Orator:                 Beruhigt euch, Eure Majestät. Lasst euch von diesem Lausbuben nicht aus der Fassung bringen.
Kaiser:                 (atmet tief durch)  Weiter.
Luther:                 Darum ersuche ich Eure kaiserliche Majestät, kurfürstliche und fürstliche Gnaden, und jedermann, er sei hohen oder niedrigen Standes, mir aus der Bibel nachzuweisen, dass ich mich geirrt habe.
Dann  werde ich alle Irrtümer widerrufen;
dann werde ich der Erste sein, der meine Bücher ins Feuer wirft.
Kaiser:                 Orator, das ist ja nicht zum Aushalten. Weise ihn zurecht.
Orator:                 Hör zu, du Kretin, wir wollen eine Antwort, eine klare Antwort auf eine klare Frage, eine Antwort ohne Hörner und Zähne, eine Antwort auf die Frage: Wirst du wiederrufen?!
Zuschauer 1:        Jetzt kommt’s.
Zuschauer 2:        Los Luther. Bleib standhaft. Wir hoffen auf dich.
Vater:                   Wenn der jetzt nicht sofort den Schwanz einzieht, ist er nicht mehr mein Sohn. Ich kann ohnehin mein Geschäft kaum aufrechterhalten, seitdem er so große Reden schwingt.
Zuschauer 1:        Aber Herr Luther. Ihr Sohn macht gerade Weltgeschichte und Sie reden vom Geschäft.
Zuschauer 2:        Still er redet weiter.
Luther:                 Weil Eure kaiserliche Majestät, kurfürstliche und fürstliche Gnaden eine einfache und richtige Antwort wünschen, so will ich sie auch ohne Hintergedanken geben:
Überzeugt mich mit den Zeugnissen der Heiligen Schrift,
oder mit öffentlichen, klaren und hellen Gründen, also mit den Bibelworten und Argumenten, die von mir beigebracht worden sind.
Denn die Autorität von Papst und Konzilien allein überzeugt mich nicht, da sie offenkundig oft geirrt und gegen Schrift und Vernunft gestanden haben. Nur wenn mein Gewissen in Gottes Wort gefangen ist, will ich widerrufen. Denn es ist nicht geraten, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir, Amen. (dreht sich um und geht).
Kaiser:                 Halt!
Luther:                 Nein.
Kaiser:                 So eine Unverschämtheit! (berät sich flüsternd mit dem Orator. Der nickt und stellt sich dann wieder auf.)
Orator:                 Im Namen unseres geliebten  Kaisers Karl des V. verkünde ich folgendes Urteil über Martin Luther: Er ist fortan nicht mehr Mitglied der einzigen rechtmäßigen Kirche. Er steht unter dem Bann, er ist vogelfrei und jeder, der ihm hilft, ihn beherbergt und seine Schriften liest oder weitergibt, wird ebenso bestraft werden.
Zuschauer 1:        Das war’s dann wohl.
Zuschauer 2:        Wart es ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Reformation noch aufzuhalten ist. Gott sei Dank ist Luther nicht umgekippt.
Zuschauer 1:        Ja, meine Wette habe ich gewonnen.

Pfarrerin:             Luther ging hinaus und rief den Leuten, die auf ihn warteten, erleichtert zu: Ich bin hindurch. Und ich bin mir fast sicher, dass er mit ihnen dann dieses Lied gesungen hat, die Reformationshymne sozusagen. Und wir teilen seine Erleichterung und den Stolz, dass er bei seiner Überzeugung geblieben ist und singen:
362, 1-4:              Ein feste Burg ist unser Gott


O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen.
Nicht mehr schweigen, sagen, was ich denke, zu meinen Überzeugungen stehen – dafür ist Martin Luther ein Beispiel.
Das Sympathische an Luther ist für mich,
dass er standhaft bei seiner Überzeugung geblieben ist,
aber sich dennoch, wie sein Vater so zartfühlend gesagt hat,
aber sich vor Angst in die Hose machen konnte.
Er war kein Held im üblichen Sinn.
Luther wurde als Kind von einer strengen Mutter bis aufs Blut verprügelt.
Er wurde von einem ehrgeizigen Vater zu einer Laufbahn gedrängt,
die ihm nur teilweise entsprach.
Seine Fähigkeit, geistig zu arbeiten, hat er ausbilden können,
aber dann wurde er verstoßen.
Er entsprach den Erwartungen seines Vaters nicht,
als er sich entschloss, als Mönch zu leben.
Luther ist mit einer Kirche groß geworden ist, die die Schätze der katholischen Theologie missbrauchte und verunstaltete,
indem sie Macht und Geld wichtiger nahmen als die Menschen.
Er hat den Zorn Gottes ernsthafter gefürchtet als manch anderer und hat sich selber misshandelt.
Eine solche Vergangenheit hinterlässt Spuren, verletzt einen Menschen und lähmt seine Kräfte.
Woher hat Luther die Kraft genommen, es mit Kaiser und Papst aufzunehmen und zu riskieren, aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden?
Seine Kraft nahm er aus zwei wesentlichen Quellen:
Die eine war seine großen Erleichterung,
als er Gott entdeckt hat, den liebenden, vergebenden Gott,
der uns nicht mit unerbittlichem, strengem  Auge betrachtet.
Er erkannte, dass er sich Gottes Gunst nicht jeden Tag aufs Neue verdienen muss,
ja als fehlerhafter, verletzlicher Mensch gar nicht kann.
Er erlebte, dass Gott Ja zu ihm sagte, ohne Bedingungen zu stellen.
Er erfuhr Gottes Liebe und Zuspruch, ganz direkt, ganz persönlich und lernte Gott ganz und gar zu vertrauen:
Der aus Glauben Gerechte wird leben, wie es in der berühmten Stelle im Römerbrief heißt. 
Das setzte  viel Kraft bei ihm frei.
Es befreite Luther dazu, auf eigenen Füßen zu stehen, weil er wusste, dass der Boden, den Gott ihm mit seiner Liebe bereitet hat, niemals wanken würde, egal was geschieht.
Mit dieser Erleichterung, mit diesem Ruf in die Freiheit, hat er andere angesteckt. Und sie waren die zweite Quelle seiner Kraft.
Während er dort drinnen stand, beim Kaiser,
standen draußen seine Freunde und Anhänger, die mit ihm Steine ins Rollen bringen und die Welt verändern wollten.
Ohne das Volk, ohne die Hilfe und Unterstützung auch der Fürsten, wäre Luther auf den ersten Metern untergegangen.

O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen.
Gehet ein, gehet ein durch die Tore! Bereitet dem Volk den Weg!
Machet Bahn, machet Bahn, räumt die Steine hinweg!
Richtet ein Zeichen auf für die Völker!
Dieser Ruf des Jesaja ist der Ruf, den wir weiter geben sollen.
Wir sind wie Luther von Gott zu Wächtern und Wächterinnen bestellt.
In unserer Stadt, in unserer Welt reden wir auf sein Geheiß,
rufen  wir,
und malen den Menschen die große Erleichterung aus,
die es bedeuten würde, wenn wir der Liebe Gottes vertrauen.
Wir dürfen vergeben und teilen und auf Gewalt verzichten
und dem Rad  der Ungerechtigkeit und Kaltherzigkeit in die Speichen fallen,
das meint,  es habe ein Recht sich ewig weiterzudrehen.
Was für eine Erleichterung, nicht alles einfach mitansehen zu müssen, sondern handeln zu dürfen!
Was für eine Erleichterung sich wie Lars erlauben zu dürfen, Gutes zu tun.
Geht das?
Das geht, wenn wir uns klar machen, das wir nicht allein sind.
Das geht, wenn wir uns in diesem Reformationsjahr, in dem es um Luther und die Politik geht, klarmachen,
dass wir ein Mandat haben von Gott, uns für soziale Gerechtigkeit einzusetzen und Leuten damit gerne auf die Nerven gehen dürfen.
Das geht.
Was geht?
Den Weg gehen, den uns Jesus vorgelebt hat,
nicht immer genau wissen, wie es weitergeht,
uns fallen lassen zu müssen manchmal,
uns immer wieder an den Händen fassen zu müssen, um nicht umzufallen
und unsere Ohren zu öffnen für Gottes Stimme, die durch Jesaja ruft:
Bereitet dem Volk den Weg!
Machet Bahn, machet Bahn, räumt die Steine hinweg!
Richtet ein Zeichen auf für die Völker!
Es ist so erleichternd Gott auf seiner Seite zu wissen,
liebevoll begleitend, sanft, aber klar mahnend,
es ist eine große Erleichterung, dass uns Jesus vorangegangen und mit uns auf dem Weg ist,
als unser Bruder, als unser Freund und uns die Tore des Lebens immer wieder öffnet.
Was aber wirklich geht, erfahren wir immer erst in dem Momenten, in denen wir uns Gott anvertrauen,
erfahren wir, wenn wir gemeinsam seinen Weg gehen
und dabei immer wieder voller Erleichterung merken:
Gott uns den Weg schon bereitet, damit wir das Leben miteinander in vollen Zügen feiern können.
Das geht.
Amen



Die Rede Luthers vor dem Kaiser sind O-Ton. Jedenfalls nicht von mir.

 Es folgt das Lied "Was geht" von Olaf Trenn und Günther Brick, leider nicht ins "Sing Jubilate" der EKBO aufgenommen worden.




Dienstag, 22. Oktober 2013

Predigt am 21. Sonntag n. Trinitatis zu Joh 15, 9ff


Gnade sei mit euch und Friede von dem der da ist und der da war und der da kommt
Jesus verabschiedet sich im heutigen Predigttext von seinen Jünger aus dem 15. Kapitel des Johannesevangeliums mit folgenden Instruktionen:  

Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe!
Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe.
Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde.
Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.
Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.
Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.
Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid; denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan.
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er's euch gebe.
Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.

Gleich und gleich gesellt sich gern, heißt es.
Das trifft auf Liebesbeziehungen nicht unbedingt zu.
Da ziehen sich auch Gegensätze an.
Aber bei Freundschaften ist das wohl so.
Freundinnen und Freunde teilen Interessen, auch oft ihre Wesensart.
Sie haben Spaß an ähnlichen Dingen und stimmen auch oft in dem überein, was sie im Leben sinnvoll finden.
Das kann die Freude am Sport sein oder an Büchern, an Musik.
Freundschaften entwickeln sich in der Schule, die man mit Freunden besser ertragen kann, als allein.
Der wird mein Freund und meine Freundin, bei dem ich mich öffnen kann, und weiß, hier kann ich alles sagen, er oder sie hält zu mir.
Im Predigttext, den wir soeben gehört haben, spricht Jesus seine Jüngerinnen und Jünger als Freunde an.
Können wir sein Verhältnis zu ihnen oder auch zu uns als Freundschaft in unserem üblichen Sinne bezeichnen?
Dieser Frage möchte ich heute nachgehen.

Zunächst: Es ist sehr viel von Liebe die Rede.
Liebt einander wie ich euch liebe, bleibt in Gottes Liebe.
Aber dann kommt ein Satz, der ernüchtert:
Jesus sagt: Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.
Ein Freund, der mir sagt, was ich zu tun und zu lassen habe und Bedingungen für seine oder ihre Freundschaft stellt, 
der ist nicht lange mein Freund.
Aber Jesus will seinen Leuten ein Kompliment machen.
Er traut ihnen viel zu und sagt weiter:
Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut.
Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde und Freundinnen seid; denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan.

Jesus als Freund?
Wie ist es seinen Jüngern damit ergangen?
Waren sie wirklich Freunde von Jesus?
Freunde, die offen miteinander reden, ihre Freude und Ängste, ihre Fragen und Meinungen miteinander teilten?
Waren Sie Freunde, die gerne Zeit miteinander verbringen wie wir das mit unseren Freunden tun?
Haben sie ihren Freund Jesus auch mal kritisch in Frage gestellt?  
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in der Zeit, die Jesus mit den Jüngern verbracht hat, nur ernste Diskussionen über das Reich Gottes gegeben hat.
Dazu haben sie zu oft bei Wein und Essen zusammengesessen, wie die Bibel berichtet.
Auch sind die Jünger kaum wie eine Herde frommer Lämmer hinter ihrem Herrn und Meister hergezogen und haben ja und nein blökten, wenn Jesus ihnen eine Frage stellte.

Die Bibel erzählt immer wieder von Diskussionen im Jüngerkreis,
vor allem zwischen Jesus und Petrus, der es sich selten nehmen ließ Fragen zu stellen, nach dem Weg Jesu zum Beispiel.
Und Jesus nahm Petrus gegenüber auch kein Blatt vor den Mund:
Noch ehe der Hahn dreimal kräht, wirst du mich verleugnet haben.
Harte Worte in einer Freundschaft.
Aber es hat die Freundschaft nicht zerstört.
Sie war auf einem festen Fundament gebaut war,
ein Fundament von gemeinsamen Erfahrungen, Übereinstimmungen und Freude miteinander.
Ein Fundament auch in der Klarheit, was es mit dieser Freundschaft genau auf sich hat.
Im folgenden Gespräch versuchen Petrus und Jesus ihr besonderes Freundschaftsverhältnis zu klären.

Du, Jesus? Bist du mein Freund?

Simon:            Du, Jesus?
Jesus:             Was gibt’s, Simon?
Simon:            Bist du mein Freund?
Jesus:             Wenn du mich lässt?
Simon:            Was soll denn das heißen?!
Jesus:             Na, du bist doch sehr von dir eingenommen.
Simon:            Wie bitte?
Jesus:             Du lässt doch kaum jemanden zu Wort kommen.
Simon:            Habe ich dich je unterbrochen?
Jesus:             Ja.
Simon:            Oh.
Jesus:             Du denkst, weil du einer meiner ersten Jünger warst, hättest du hier die Oberleitung.
Simon:            Nein, die hast du.
Jesus:             Ich meine, nach mir.
Simon:            Naja. Immerhin konnte ich wie du auf dem See laufen.
Jesus:             Und wie lange, bevor du jammernd untergegangen bist?
Simon:            Naja.
Jesus:             Siehst du. Dein Vertrauen in mich hat eben seine Grenzen. Und das ist schlecht für eine Freundschaft, wie ich sie mir vorstelle.
Simon:            Aber ich tue doch alles für dich. Mein Haus in Kafer Naum steht dir und allen anderen jederzeit offen und ist doch so eine Art Hauptquartier für uns. Und ich, bzw. meine Schwiegermutter und meine Familie, wir geben unser Letztes um alle zu verpflegen.
Jesus:             Ich weiß. Und? Tust du es nicht gern?
Simon:            Doch, natürlich.
Jesus:             Bist du nicht glücklich, wenn wir uns im Kreis deiner Familie versammeln?
Simon:            Doch, sehr.
Jesus:             Denkst du, du hast da irgendeine Belohnung verdient?
Simon:            Nein, natürlich nicht.
Jesus:             Bin ich dir irgendwie verpflichtet, weil ich dort ab und zu wohne?
Simon:            Aber Jesus, nicht doch. Wir sind doch Freunde. Das ist doch selbstverständlich, dass man alles teilt.
Jesus:             Na also.
Simon:            Es ist doch jedes Mal dasselbe. Ich stelle dir eine Frage, eine ganz einfache Frage.
Jesus:             Wie war die doch gleich?
Simon:            Bist du mein Freund?
Jesus:             Richtig. Und?
Simon:            Und jedes Mal endet es damit, dass du mich in die Enge treibst und fertig machst.
Jesus:             Tue ich nicht.
Simon:            Oh, doch.
Jesus:             Wirklich?
Simon:            Ja. Du bist was Besonderes, das weiß ich auch. Aber geht man so mit Freunden um?  Lässt man sie immer blöde dastehen, hm?
Jesus:             Nein, da hast du recht. Entschuldige.
Simon:            Es ist ja o.k., wenn man sich gegenseitig auf Fehler hinweist. Aber  du siehst selten ein, dass du Mist gebaut hast.
Jesus:             Was vielleicht auch daran liegt, dass ich selten Mist baue. Aber ich lege großen Wert auf deine Meinung.
Simon:            Wirklich?
Jesus:             Ja. Ich will doch keinen Ja-Sager zum Freund. Ich brauche Menschen, die eigenständig denken und handeln.
Simon:            Oh.
Jesus:             Ich will keine Knechte oder Akkordarbeiter an meiner Seite, sondern Menschen, die die Freude am Leben miteinander teilen und feiern können.
Simon:            Das kann ich.
Jesus:             Ich weiß. Und ich denke, du wirst unsere Bewegung weiter tragen,  wenn ich nicht mehr unter euch bin.
Simon:            Fang nicht schon wieder damit an.
Jesus:             Freundschaft bedeutet, den Dingen ins Auge zu sehen, auch den unangenehmen.
Simon:            Schon gut.
Jesus:             Und du kannst andere überzeugen und vor allem, der wesentliche Baustein in unserer Freundschaft: Du denkst wie ich, dass die Welt nicht bleiben muss wie sie ist. Dass Frieden und Gerechtigkeit eine echte Chance haben, weil Gott das Leben so haben will. Dass die Menschen nur darauf vertrauen und das leben müssen und können. Du bist auf einer Wellenlänge mit mir.
Simon:            Das ist korrekt. Und?
Jesus:             Du bist mein bester Freund.
Simon:            Nicht doch, Jesus. Jetzt übertreibst du aber.
Jesus:             Stimmt.
Simon.           Oh.
Jesus:             Du bist einer meiner besten Freunde. Und ich glaube, dass du mich nie im Stich lassen wirst.
Simon:            Ja. Das stimmt.
Jesus:             Letztlich.
Simon:            Letztlich?
Jesus:             (winkt ab) Später. Von heute an, mein alter Freund, werde ich dich als Ausdruck meiner besonderen Wertschätzung und Würdigung deiner Persönlichkeit „Petrus“ nennen, den Fels.
Petrus:            Nö, nö, nö. Jesus, das ist zuviel. Du bringst mich zum Heulen, Mann.
Jesus.             Das mag ich auch an dir, deine Sensibilität.
Petrus:            Klappe, oh, Entschuldigung, Meister.
Jesus:             Ich weiß, du lässt lieber den Macker raushängen.  Aber tun wir das nicht alle dann und wann? Aber unter Freunden muss man doch auch mal die Masken fallen lassen können.
Petrus:            Du hast recht.
Jesus:             Wie dem auch sei, du hast mir eine Frage gestellt, die... wie ging die doch noch mal genau?
Petrus:            Bist du mein Freund?
Jesus:             Richtig. Und darauf gibt es eigentlich eine ganz einfache Antwort: Ja.
Petrus:            Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Jesus:             Gottes Wege sind wunderbar.
Petrus:            Wenn du es sagst. 


Der christliche Glaube  bedeutet Freundschaft, die Freundschaft zwischen Jesus und uns.
Eine einfache und zugleich komplizierte Definition.
Wir würden uns vielleicht eher als Gemeinschaft der Gläubigen bezeichnen, aber das klingt doch ein wenig starr und streng.
Freundschaft ist anders.
Freundschaft geht zu Herzen, hat mit meinem Leben zu tun, fordert mich und stärkt mich gleichermaßen.
Der Evangelist Johannes, der dieses Gespräch aufgezeichnet hat,
wollte seiner Gemeinde die Stärke dieser besonderen Freundschaft deutlich machen.
Am Ende des 1. Jahrhunderts war der Druck der Römer auf die jüdischen Gemeinden war groß.
Wer unangenehm auffiel und etwa sagte:
Im Gottes Reich werden die Armen getröstet werden oder ähnliches,
der konnte schon eine Verfolgung durch Diokletian, den amtierenden Kaiser, riskieren
und das war äußerst unangenehm.
Das wollten die jüdischen Gemeinden verständlicherweise nicht.
Die Christen provo­zierten in ihren Augen unnötig und brachten die Geschlos­sen­heit der Gemeinde in Gefahr.
Also schloss man sie aus dem Schutz der jüdischen Gemeinde aus.
Für die Christen war damals ein neuer Zusammenhalt nötig.
Mit ihrer Verantwortung, die Freundschaft Jesu, das Reich Gottes weiterhin sichtbar werden zu lassen, waren sie ganz auf sich gestellt.
Ihr Halt: Die Nähe Jesu zu Gott und der Glaube daran, dass diese Liebe es ihnen ermöglicht die Gebote zu leben, die in seinem Reich gelten.
Aus dieser Sicht heraus spricht aus den Worten Jesu weniger die Nötigung: Wenn ihr nicht tut, was ich sage, dann...“, sondern eher sein Vertrauen:
Ich kenne euch und ich weiß, dass ihr wie ich die Liebe Gottes leben könnt.“
Ein großes Zutrauen setzt Jesus hier in seine Freundinnen und Freunde und dieses Zutrauen ist es, an das der Schreiber des Johannesevangeliums seine Gemeinde erinnern will:
Die Freude, die aus unserer Freundschaft mit Jesus erwächst, wird immer dann fühlbar sein, wenn ihr in seinem Sinne lebet und wird euch stärken.

Soweit zu den Christinnen und Christen damals. Zurück zu uns.
Würden wir uns als Freund oder Freundin Jesu bezeichnen?
Sehen wir uns, die wir hier sitzen, gegenseitig alle als Freunde und Freundinnen an?
Wir nennen uns Gemeinde, manchmal auch Bruder und Schwester mit einem etwas weihevollen Unterton.
Aber Freunde und Freundinnen?
Hat Paula, die wir heute getauft haben, hier eine Freundesgruppe gefunden,
die sich mit ihr in absehbarer Zeit in den Sandkasten setzen wird und später mit ihr Fußball spielt?
Das kann schon sein.
Aber deshalb muss man sich nicht taufen lassen.
Vielleicht wird die Art der Freundschaft, die wir hier pflegen,  deutlicher, wenn wir zwei Gruppen in unserer Gemeinde betrachten.
Der Gemeindekirchenrat zum Beispiel, den wir heute teilweise neu wählen, besteht aus Menschen, die zusammen versuchen, diese Gemeinde zu leiten und die Arbeit und das Leben in ihr zu ermöglichen.
Sie sind eine Gemeinschaft, die es sich zum Ziel setzt, den Auftrag Jesu umzusetzen und den Raum für das christliche Leben offenzuhalten und teilweise auch zu gestalten.
Es ist eine Gemeinschaft, in der es auch immer wieder knirscht,
aber eine Gemeinschaft, die im Großen und Ganzen gerne zusammenarbeitet und viel bewegt und immer wieder auch Spaß miteinander hat.  
Aber wir sind keine Freunde im üblichen Sinn.
Wir  gehen nicht gemeinsam ins Kino und laden uns nicht zu den Geburtstagen ein.
Wir erzählen uns kaum Dinge über unser Privatleben.
Genauso die andere Gruppe, die Teamer in der Konfirmandenarbeit.
Es gibt dort schon Freunde, die auch ihre Freizeit miteinander verbringen,
aber dieser gesamte Kreis besteht aus ganz unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Interessen.
Und diese Jugendlichen würden nichts miteinander zu tun haben, wenn sie sich nicht in der Friedensgemeinde in dem gemeinsamen Ziel finden würden die Konfis durch die nun 1,5 Jahre Konferzeit zu begleiten.
Die Freundschaft, als die Jesus hier unsere Gemeinschaft, bezeichnet, knüpft an die Rede Jesu an Petrus an,
an den wesentlichen Baustein ihrer Freundschaft:
Wir  sind hier zusammen und arbeiten und leben als Freundinnen und Freunde,
weil wir wie Jesus denken, dass die Welt nicht bleiben muss wie sie ist.
Dass Frieden und Gerechtigkeit eine echte Chance haben, weil Gott das Leben so haben will.
Dass die Menschen nur darauf vertrauen und das leben müssen und können.
Insofern sind wir auf einer Wellenlänge mit ihm
und Jesus erwartet, dass wir uns auf Augenhöhe mit ihm begeben,
Selbstvertrauen entwickeln, selbstbewusst in dieser Welt das Evangelium verkünden und uns in dieser Weise unterstützen und zusammenhalten.
Wir sind keine Knechte, wir sind Partner und Partnerinnen an Jesu Seite.
Und das begründet unsere Art der Freundschaft.
Die ist nicht immer einfach zu leben.
Denn wo viele selbstbewusste Partner und Partnerinnen Jesu zusammen kommen, gibt es viele Meinungen darüber, wie diese Freundschaft gelebt werden sollte
und daher gibt es auch in dieser Freundestruppe hier,
der Gemeinde oder eben auch dem GKR und bei den Teamern
immer auch Streit um den richtigen Weg.
Aber dieser Streit hat eine Blickrichtung, die wir nicht vergessen dürfen:
Es geht nicht um uns, es geht nicht darum, hier eine harmonische Freundesgruppe Gleichgesinnter zu werden, die sich um sich selbst kümmern.
Wir sind Freunde und Freundinnen, weil wir wie Petrus bereit sind, gemeinsam nach außen zu blicken und in dieser Welt,
die häufig nach ganz anderen Regeln funktioniert,
von oben und unten, Macht und Ohnmacht bestimmt wird,
ein Beispiel gelebter Liebe Gottes zu geben.


Wir brauchen in dieser Welt viel stärker, als wir es manchmal wahrhaben wollen Menschen, die die Gebote Gottes ernst nehmen.
Wir brauchen diese Gebote Gottes, die sagen:
Der Einzelne zählt und ist wertvoll.
Das Töten ist verboten, Profitgier und Diebstahl gehören verurteilt,
Gerechtigkeit, eine gerechte Verteilung der Güter der Erde steht an erster Stelle,
oder auch: Tue den anderen das, was du willst, das dir die Leute tun.
Das nehmen wir ernst und versuchen es zu leben.
Eine Gemeinde ist im Sinne Jesu also der Ort,
an dem wir Menschen finden, die die Regeln dieser Freundschaft kennen und so gut wie möglich leben.
und weiß sich allen Unterschieden zum Trotz in dem wichtigen Wunsch eines Sinnes,
dass alle Menschen Gottes geliebte Kinder sind und Freude am Leben haben sollen.
Und in diesem Sinne sind die Menschen in einer Gemeinde, sind wir hier  einander Freundinnen und Freunde.
Deshalb kommen wir zusammen, unterstützen uns,
nehmen uns auch einander an, wenn wir Hilfe brauchen und Sorgen haben, feiern auch gerne einmal, lachen, haben Spaß, weil ohne das eine Freundschaft nicht denkbar ist.
Und wir verlieren bei all dem den Grund unserer Freundschaft nicht aus dem Blick.
Das will uns dieser Text aus dem Johev. nahe legen.
Und für die Stärkung dieser Freundschaft wählen wir heute die Hälfte unseres GKRs neu und vertrauen einigen aus unserer Freundesgruppe besondere Aufgaben an.
Wir nehmen immer wieder neue Menschen auf, ohne  Bedingungen zu stellen, aber in der Hoffnung eine neue selbstbewussten Freundin Jesu zu haben, die mit uns diese Freundschaft lebt und sagen einem Kind wie Paula daher in der Taufe zu:
Du bist eine Freundin Jesu. Herzlich willkommen im Namen des Gottes, im Names Jesu Christi.
Als Freundinnen und Freunde Jesu zeigen wir auf ganz unterschiedliche Weise, wie sehr wir von dieser Freundschaft profitieren,
welche Freude uns daraus erwächst,
welche Kraft und welcher Mut, welches Selbstbewusstsein und welche Ideen wir dadurch bekommen, immer wieder das zu ändern, was uns und andere am Leben hindert.
Als Freundinnen und Freunde Jesu sind wir so Salz der Erde.
Dass diese besondere Freundschaft gelingt, darum bitten wir mit Worten von Kurt Tucholsky:
„Gott erhalte uns die Freundschaft. Man möchte beinah glauben, man sei nicht allein.“ Amen