Samstag, 14. Januar 2012

Predigt 2. Sonntag n. Epiphanias 2012 1 Kor 2, 1-10


Predigt 1 Kor 2, 1-10 2. Epiph. 2012


Wer gibt die Geheimnisse seines Lebens, seiner Person preis?
Wohl kaum einer.
Jedenfalls nicht alle und nicht vor jedem.
Zu Recht, denke ich.
Menschen sollten ihre Geheimnisse behalten dürfen.
Es ist immer mehr üblich geworden, z.B. über facebook, seine intimsten Gefühle und Erlebnisse einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben.
Und das ging auch schon immer wieder daneben, wenn Informationen oder auch Fotos plötzlich anderen zugänglich gemacht wurden und man einseitig dargestellt wurde und meistens unangenehm.
Bloßstellungen, das merken wir dann, nehmen uns unsere Würde.
Wer mich entblößt, gewinnt Macht über mich, hält an einem bestimmten Bild von mir fest und zwingt mich dahinein.
Schamgefühle, nicht nur was die körperliche Nacktheit angeht, kennen wir alle.
Und sie sind der natürliche Impuls, unsere Würde zu wahren.
Wir überlegen uns normalerweise, wann und wem wir etwas preisgeben.
Und wenn uns unversehens etwas entwischt, ein persönliches Geheimnis, eine Emotion, dann geht es uns meistens nicht gut.
Wir bekommen Angst, wir sorgen uns, ob andere dieses Wissen über uns missbrauchen.
Wir denken an uns eigentlich als ein vielschichtiges Wesen, das in diesem Moment von anderen aber nur als wütend oder traurig oder albern oder verliebt und damit ungeschützt wahrgenommen wird. Und das passiert leider immer wieder.

Der Apostel Paulus redet auch vom Geheimnis des Lebens, vom Geheimnis Gottes, das nur durch Gott selbst gelüftet werden kann.
Gott achtet anscheinend genau wie wir auf die Unverletzlichkeit seiner Person.
Und Paulus hat eine hohe Achtung davor.
Mit seiner eigenen Würde nimmt es aber anscheinend nicht so genau.
Er kennt keine Scham, er zeigt sich ungeschützt von seiner schlechtesten Seite.
Er zeigt sich mit seinen größten Schwächen den teilweise reichen und selbstbewussten Korinthern, die von hochkarätigen Weisheitslehrern verwöhnt sind und schreibt im 1 Korintherbrief im 2. Kapitel:

1 Auch ich, liebe Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen.
2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.  3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;  4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft,  5 damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.  6 Wovon wir aber reden, das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen.
7 Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit,  8 die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.  9 Sondern es ist gekommen, wie geschrieben steht: »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«  10 Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.

Kein sympathischer Zeitgenosse, dieser Paulus.
Unangenehm fast mit seiner Selbstentblößung auf der einen Seite
und der überheblich wirkenden Aussage,
dass Gott zwar sein Geheimnis durch alle Zeiten gewahrt hat,
aber seine Weisheit Paulus und den Seinen unterbreitet hat.
Das, was zuvor keine Auge gesehen und kein Ohr gehört hat,
das hat Paulus gesehen und gehört und wohl auch verstanden. Nun ja.
Bleiben wir einen Moment bei der Person des Paulus:
Von außen betrachtet war Paulus ein epileptischer einstiger Christenhasser.
In einem Ohnmachtsanfall von nicht geklärtem Ursprung hörte er Jesus und legte eine 180 Grad Wendung hin.
Er behielt seine theologischen und philosophischen und wohl auch schriftstellerischen Fähigkeiten und stellte sie in den Dienst der Christen.
Von seiner Krankheit wurde er nicht geheilt und besser reden konnte er auch nicht als vorher.
Vor einer Masse Menschen, die damals sicher die Zahl 100 nicht überschritten hat, stotterte er in Furcht und Zittern vor sich hin und hat immer wieder seine Anhänger enttäuscht,
eine insgesamt eher schwächliche Erscheinung also.
Paulus aber sieht sich als mehr.
Gerade weil das Besondere an ihm, sein Glaube, seine Offenheit dafür Gott zu lieben, nicht so offensichtlich zu sehen sind, gerade deshalb, so meint er, ist es Gott möglich, durch ihn zu reden.
Nichts eigenes von Paulus hinterlässt einen großen Eindruck.
Durch einen Schwächling aber, der sich nicht scheut, seine Schwächen selbst zu entblößen und sich dadurch auf die Seite der Schwachen stellt, scheint Gott am deutlichsten zu reden.
So als ob Gottes Botschaft vom Kreuz, seine Nachricht von der Versöhnung zuviel menschliche Stärke und Selbstbewusstsein nicht erträgt und sich dadurch wieder entfernt.
Vielleicht auch, weil menschliches Selbstbewusstsein oder Selbstgerechtigkeit angesichts der Zustände dieser Welt gar nicht angebracht ist.
Vielleicht auch, weil Paulus, der Schwache und ohnmächtig seiner Krankheit Ausgelieferte, den Mann am Kreuz noch am besten verstehen kann.
Und vielleicht kann auch eine Predigt diese Wahrheit nur umkreisen und sich ihr etwas stotternd annähern. Versuchen wir es.

Gott wahrt seine Würde und seine Geheimnisse.
Mose, der ihn zu sehen begehrt, bekommt die Zusage, alle Güte Gottes zu sehen, aber nicht dessen Angesicht.
Alle Tricks, die Mose anwendet, um mehr als die Kehrseite Gottes zu sehen, schlagen fehl.
Gott lässt sich nicht vereinnahmen, nicht einmal von einem Mose, den er doch als seiner würdig erkannt hat.
Gott wahrt sein Geheimnis, er bewahrt sich selber vor der Enge unseres Verstandes und unseres Herzens.

Die Herrscher der Welt, die das Geschick vieler Menschen in die Hand nehmen, können das Geheimnis Gottes nicht lüften, sagt Paulus.
Das können nur die, die Gott lieben, die ganz in der Beziehung zu ihm leben, und sich nicht hinter ihren Stärken verstecken,
die so vertraut mit ihm sind, dass Gott ihnen gegenüber sein Herz öffnet, sich ins Herz seiner Güte blicken lässt.
Und darin findet ein Paulus dann das Gesicht Gottes am Kreuz,
das Gesicht des mitleidenden, ohnmächtigen Jesus, der viel lieber nicht gestorben wäre und auch nicht hätte sterben müssen,
wenn, wie Paulus sagt, die Herrscher Gottes Weisheit erkannt hätten
und zu dieser Art Liebesbeziehung fähig gewesen wären,
die sich ganz auf den anderen einlassen kann.

Paulus zwingt die Korinther dazu, zwei Schritte zurückzutreten und ihre Beurteilungen zu überprüfen.
Er entblößt sich und gesteht wohlüberlegt seine Schwächen ein.
Dadurch kehrt er die Dinge um, wie auch bei Gott Stärke und Schwäche unter anderen Vorzeichen gesehen werden.
Nicht Paulus schämt sich seiner Offenheit.
Er erreicht, dass die Korinther sich schämen und beginnen, Paulus und einander mit mehr Achtung zu betrachten.
Sie hören nicht länger auf die Eloquenz und Ausstrahlung der Redner und verschiedenen Anführer der Gemeinde.
Sie entwickeln ein Gespür dafür, wo Gott selber mit seiner Botschaft vom Kreuz am deutlichsten zu Wort kommt.
Sie beginnen, die Welt mit anderen Augen zu sehen.
Sie nehmen wahr, wo verletzt und zerstört wird.
Sie hören auf Stärke und Macht zu vertrauen und sehen in der Schwäche der Armen den Beginn des Weges Gottes zu einer gerechteren Welt.

Gott liegt die Würde, die Unversehrtheit unseres Lebens, die ganze Vielfalt, die wir mit uns herumtragen am Herzen.
Und wird sie verletzt, teilweise so furchtbar und unwiderruflich verletzt, wie wir es immer wieder erleben, bei uns und anderen,
ich muss Ihnen die Möglichkeiten nicht aufzählen,
dann gibt es manchmal keine andere Hoffnung,
dann versagen alle Rezepte,
dann kommt alle unsere Lebensweisheit an ihr Ende,
dann gibt es nur die Hoffnung, nicht alleine zu sein, gesehen zu werden mit den Augen der Liebe dessen,
der alle unsere Geheimnisse, die Vielfalt unsere Person achtet und bewahrt und nicht aus den Augen verliert,
der sich immer wieder verbirgt vor uns, um nicht verwechselt zu werden mit Macht und Ansehen
und der am lautesten redet, wo unsere Erwartungen verstummen,
auch wenn dann nur Liebende seine Stimme dann können.  

Wer gibt die Geheimnisse seines Lebens, seiner Person preis?
Niemand sollte das freiwillig einfach so tun, denn es gehört zu unserem Leben dazu, viele Personen in einer zu sein, zu leben und uns zu entwickeln und immer wieder, trotz einer gewissen persönlichen Linie für Überraschungen gut zu sein.
Und das müssen wir immer wieder schützen.
Denn jede Festlegung, jede Verletzung dieser Würde schmerzt.
Gerade im Hinblick auf die Flut der Informationen, die manche von sich im Internet oder auch im Gespräch preisgeben,
gerade angesichts der Mächtigen, die ganz auf ihren Ruf bauen und dann ihr Gesicht verlieren wie in diesen Tagen wieder deutlich zu sehen,
kann dieser Text eine Mahnung sein:
Wir sollen das Geheimnis Gottes achten und damit auch die Kostbarkeit unseres Lebens, das er geschaffen hat.
Wir sollen das Gefühl für die Kostbarkeit unserer Person nicht aus dem Augen verlieren.
Das Kostbarste schmeißt man nicht einfach auf den Markt.
Das hütet man, das nährt man und sorgt sich darum, dem wendet man seine Kraft und Zeit zu.
Das setzt man ein für die, die es wirklich brauchen und nicht für die eigenen Interessen und will nicht die beeindrucken, die auf die Starken hören.
Und das Kostbarste ist unserer Offenheit für das Leben, das Gott uns geschenkt hat,
für die Vielfalt, für all das Gute, aber auch für die Schwächen, die wir haben, unsere Grenzen.
Das Kostbarste ist, wenn wir unser Herz der verstehenden, uns auf die die Welt verändernden Wege hinweisenden Liebe Gottes zu öffnen.
Und das gilt für jeden unter uns, soll unser Verhalten bestimmen, unnötige Verletzungen und Verachtung und Entblößungen unterbinden.
Genauso, wie wir uns von Gott keine festes Bild machen und ihn nicht festhalten dürfen, wenn er vorbeigeht und nicht in sein Gesicht schauen dürfen,
genauso wenig dürfen wir unsere Mitmenschen in ein Bild zwingen, das ihnen nur ungenügend entsprechen kann,
genausowenig dürfen wir ihr Leben gewaltsam unterdrücken,
denn das würde bedeuten, dass wir keine Ahnung haben von der Weisheit Gottes.

Gott zeigt seine Güte, hat uns mit in den Blick seiner Güte hineingenommen, indem er sich so nah wie möglich auf uns zubewegt hat, am Kreuz, im Leben Jesu.
Aber im Gegensatz zu Paulus denke ich, dass Gott nach wie vor Fragen offen lässt:
Er wahrt das Geheimnis seines Anblickes, wird immer der bleiben, den bisher kein Auge wirklich gesehen und kein Geist wirklich erfasst hat.
Er wird durch selbstbewusste Menschen reden, die als Schwächlinge daher kommen, auch wenn uns angesichts dieses Widerspruchs der Verstand stehen bleibt.
Gut so.
Denn dann spricht vielleicht unser Herz.
Dann sind wir die, die Gott lieben und ganz darauf vertrauen, dass in der Hingabe an ihn und in seiner Liebe die Hoffnung für die Welt verborgen liegt,
dann können wir können das Glück seiner Gegenwart erleben,
dann können wir uns dann doch offen zeigen ohne Furcht und ohne Scham, denen, die Gott lieben wie wir,
uns dadurch auf die Seite der Schwachen stellen
und helfen Gottes Liebe und seinen Blick in die Welt bringen.
Amen









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