Donnerstag, 5. April 2012

Karfreitagsmeditation über Mt 27, 45-54 zu einem musikalischen Gottesdienst


Angeregt wurde diese Predigt durch eine Predigt von Hansfrieder Zumkehr, Gottesdienstpraxis "Passion", 2009 und seine Gedanken zum Thema "Abgrund". Im Gegensatz zu ihm bin ich da allerdings nicht so leicht wieder herausgekommen... Aber Ostern kommt ja noch. 


Abgründe tun sich auf.
Gott macht sie sichtbar durch seinen Weg mit Jesus.
Ein Abgrund tut sich auf,
als Menschen schrien: Kreuzige ihn!
Ein Abgrund der Gottesferne.
Diese Menschen sind nicht zu bewegen, aus ihrem Hass aufzubrechen.
Sie stecken fest in der Tiefe der Abgrenzung.
Sie nehmen sich das Recht über Leben und Tod zu bestimmen.
Sie sind sich sicher:
Über den sprechen wir das Todesurteil.
Der verdient es nicht zu leben.
Menschen übertreten ihre Grenzen.
Sie richten sich ein in der Schlucht der Härte,
aus der in dem Moment keine Treppe mehr führt,
kein guter Wille ist mehr möglich,
kein Mitleid, kein Sinn für Gerechtigkeit.
In diesem Abgrund versinkt Jesus.
Stirbt schreiend.
Stirbt schreiend vor körperlichem Schmerz.
Stirbt schreiend vor Verzweiflung.
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ist dieser Abgrund dein letztes Wort?
Vielleicht nicht sein letztes Wort,
aber Gott spricht an diesem Tag nur davon,
spricht von den unausweichlichen Folgen
menschlicher Sünde.
Gott zeigt, welche Abgründe sich auftun,
wenn Menschen sich abwenden von der Stimme des Lebens,
und sich dadurch der Kälte des Todes ausliefern,
andere erschießen,
quälen,
foltern,
verhungern
oder am Kreuz verrecken lassen
ohne Mitleid,
ohne Anteilnahme.
Gott redet durch Jesus von den Abgründen dieser Welt,
und weil Gott es ist, der davon redet,
werden sie sichtbar für alle Welt.
kann niemand ausweichen.
Wo Abgründe sich auftun,
geraten die Dinge durcheinander,
kommt alles in Bewegung.
Das, was die Menschen nicht zeigen,
Anteilnahme, Erschütterung,
das zeigen die Natur und die Dinge,
die sich nach Gottes Willen richten.
Immer, auch hier, sind sie seine Stimme.
Die Sonne verbirgt sich,
weigert sich, mit ihrer Wärme die Kälte dieses Augenblicks zu vertuschen.
Der Vorhang im Tempel kann nicht an sich halten,
es zerreißt ihn, von oben nach unten.
Nichts Heiliges, Verborgenes kann es geben in dem Moment,
in dem Menschen das Heiligste, das Leben, mit Füßen treten.
Das Heilige hängt am Kreuz,
und wer es sehen will muss nach Golgatha blicken.
Die Natur schüttelt sich.
Selbst die härtesten Felsen reißt es auseinander.
Die Heiligen hält es nicht in ihren Gräbern.
Sie wandern über den Hügel von Golgatha und
zeigen ihre Erschütterung:
Jesus ist tot, Gottes Stimme wurde erwürgt,
das darf doch nicht wahr sein.

Das einzig mögliche Evangelium für den Karfreitag:
Das darf doch nicht wahr sein.
Ein heilsbringender Satz, der dem Skandal des Todes nicht ausweicht,
sondern den Tod bitter ernst nimmt.
der Satz, den Gott der Natur, den Dingen in den Mund legt.
Das darf doch nicht wahr sein.
Dieser Satz, der wird erwartet.
Das zerstörte Leben zu sehen und nicht vorbeisehen zu können
und dennoch zu sagen: Das darf doch nicht wahr sein.
Das will Gott von uns hören.
Das spricht er selber in die Abgründe unseres Lebens hinein.
Gott schaut in diese Abgründe, steigt mit hinunter.
Das versteht sogar ein abgebrühter Hauptmann,
der täglich die Schreie der Sterbenden am Kreuz im Ohr hat,
der also nicht so leicht zu erschüttern ist.
Aber an der Erschütterung, die Gott angesichts des Todes Jesu zeigt,
kommt er nicht vorbei.
Er kommt nicht vorbei an der Erkenntnis,
dass tatsächlich Gott durch diesen Jesus geredet hat
und findet keine besseren Worte für diese Verbindung, als zu sagen:
Das war ja dann wohl doch Gottes Sohn.
Und seine Erschütterung ist zu merken.

Das darf doch nicht wahr sein.
Wer diesen Satz sagt,
der weiß zumindest,
dass das Leben anders aussehen muss,
dass ein Mensch nicht ans Kreuz gehört,
sondern zu seinem Feigenbaum und Weinstock,
dass Armut und Reichtum keine Naturgesetze sind,
sondern den tödlichen Abgrund zeigen,
in dem wir es uns oft so behaglich eingerichtet haben.

Es gehört Mut dazu, sich an diesen Satz zu wagen,
denn er setzt nicht nur Berge und tote Heilige;
sondern auch den in Bewegung, der ihn ausspricht:
Das darf doch nicht wahr sein.
Wenn ich mich an diesen Satz wage,
es wage, selbst angesichts der Ungeheuerlichkeiten,
die Menschen bis heute ihren Geschwistern zumuten,
wage mein Herz zu öffnen,
dann tue ich das in der Hoffnung,
Gottes Stimme zu hören,
der mir recht gibt, wenn ich nur noch fassungslos den Kopf schütteln kann.
Dann spüre ich vielleicht auch in dieser Tiefe Gottes Hand,
dann merke ich vielleicht auch,
dass diese Hand mich zieht, ohne noch zu sehen wohin.
Das darf doch nicht wahr sein.
Ob uns dieser Satz hilft aufzustehen,
ob es dieser Satz schafft
den Felsen von den Gräbern der Welt zu rollen,
das wissen wir in dem Moment nicht,
wenn wir ihn aussprechen.
Aber wir verlieren unsere Fassung,
in dem Moment,
in dem wir uns der Ungeheuerlichkeit des
Todes, den Menschen anderen zumuten, aussetzen.
Wir bleiben nicht unbeweglich und unbewegt angesichts des Leides.
Fassungslose Menschen kann Gott bewegen und mitnehmen auf seinen Weg.
Das darf doch nicht wahr sein.
Versuchen wir darauf zu vertrauen,
dass Gott diesen Satz mitspricht und
nicht aufhören wird vom Leben zu reden.
Amen




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen