Dienstag, 3. April 2012

Mk 11, 14-18 Passionsadacht zur Temepelaustreibung


Zu einem Bild aus dem Jugendkreuzweg 2012Mit Dank an Kristina Kühnbaum-Schmidt für den wunderbaren Satz 
" Über Geld spricht man nicht“ – aber zuweilen kann man auch nicht darüber schweigen." 
Und für die Einleitung. (Kursiv)
 Mk 11
Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel und fing an auszutreiben die Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler stieß er um
16 und ließ nicht zu, dass jemand etwas durch den Tempel trage.
17 Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.
18 Und es kam vor die Hohepriester und Schriftgelehrten, und sie trachteten danach, wie sie ihn umbrächten. Sie fürchteten sich nämlich vor ihm; denn alles Volk verwunderte sich über seine Lehre.


Über Geld spricht man nicht“ – so lautet die alte Benimmregel.
Man spricht nicht über das eigene Einkommen und fragt andere nicht nach ihrem.
An der Wohnung, Kleidung, Essen, dem Auto kann man zwar einigermaßen erkennen, wie es denn so steht mit dem Geld, über das man nicht spricht. Aber man spricht es nicht aus.
Über Geld spricht man nicht“ – aber zuweilen kann man auch nicht darüber schweigen.
Geld erregt die Gemüter.
Geld treibt Menschen zu Taten, die sie sonst ablehnen würden.
Geld treibt auch Jesus hier dazu, alle Regeln seines sonst relativ guten Benehmens zur Seite zu fegen.
Mit der Peitsche in der Hand argumentiert er selten.
Auch schreien ist sonst nicht seine Art.
Aber auch die anderen Menschen auf dem Bild, vor allem die Honoratioren, die würdigen Männer, die Händler, die Priester und Schriftgelehrten gehen ein wenig mehr aus sich heraus als sonst.
Die Menschen zeigen ein Gesicht, das man sonst nicht von ihnen kennt.
Ganz gegen ihre sonstige Art.
So reagieren Menschen, denen man zu nahe tritt, die sich wehren, die auf den Putz hauen, wenn sie sagen wollen:
Bis hierher und keinen Schritt weiter.
Über Geld spricht man nicht.
Vor allem nicht hier in der Kirche.
Nicht bei einer Passionsandacht, wo Sie jetzt erwarten, sich zu öffnen und sich dem Leiden Jesu auszusetzen.
In ruhiger, besinnlicher Atmosphäre.
So kann man sich täuschen.
Selbst hier geht es um das liebe Geld, über das man nicht spricht.
Und bevor wir uns mit Erstaunen und Kopfschütteln dem Bild und der Geschichte dort nähern,
nähere ich mich Ihnen und trete Ihnen zu nahe.
Unter anderem mit der Hilfe von Max Frisch stelle ich Ihnen ein paar Fragen, die Sie nicht laut beantworten müssen,
aber über die Sie einen Moment nachdenken können.
Die Fragen sollen Sie nicht aufs Glatteis führen,
sondern nur Gelegenheit geben, sich über ihr derzeitiges eigenes Verhältnis zum Geld klarzuwerden.

1.    Mögen Sie Geld?
2.    Warum nicht?
3.    Haben Sie schon ohne Bargeld (ich ergänze: auf dem Konto) leben müssen?
4.    Wieviel Geld möchten Sie besitzen?
5.     Haben Sie schon gestohlen:
a. Bargeld?
b. Gegenstände (ein Taschenbuch am Kiosk, Blumen aus einem fremden Garten, eine Erstausgabe, Schokolade auf einem Camping-Platz, Kugelschreiber, die umherliegen, ein Andenken an einen Toten, Handtücher im Hotel usw.)?
c. eine Idee?
6.    Gesetzt den Fall, Sie stammen aus einfachen Verhältnissen und verfügen unversehens über ein großes Einkommen, sodass das Geld für Sie sozusagen keine Rolle mehr spielt: fühlen Sie sich als Person unverändert? Und wenn ja: glauben Sie, dass Ihre bisherigen Freunde meinen werden, dass das Geld sie als Person deformieren oder zumindest verändern wird?
7.    Was kostet zurzeit ein Pfund Butter?
8.    Fürchten Sie sich vor den Armen?
9.    Warum nicht?
10.Was tun Sie für Geld nicht?
11.Was von dem, was Ihnen im Leben wichtig ist, würde bleiben, wenn Ihnen das Geld ausginge?

Über Geld spricht man nicht, aber manchmal kann man nicht darüber schweigen.
Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, zum Beispiel.
Dann sind die Banken dran oder gute Freunde.
Wenn überlegt wird, wie groß oder klein die Frühjahrsgarderobe ausfallen darf und welcher Spielraum für  den nächsten Urlaub bleibt.
Über Geld spricht man nicht.
Das gilt aber vor allem für uns im privaten Bereich.
Ansonsten, so hat es manchmal den Anschein, wird nur noch über Geld gesprochen.
Geld regiert die Welt, heißt es.
Und das tut es.
Der  Finanzausgleich im Bund ist das große Thema der Berliner Zeitung vom Samstag.
In Europa sowieso.
Die Zentralbank hat unser Leben mehr im Griff, als wir es uns vorstellen können,
die Weltbank hat mehr mit den Grenzen des politischen Handelns zu tun, als uns lieb sein mag.
Der gute Wille der Menschen hat das Nachsehen.
Über Geld spricht man nicht?
Jesus ist da anderer Meinung.
Er hat über Geld gesprochen und meistens in der Richtung:
Nehmt es nicht so ernst. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, ansonsten entspannt euch.
Haben die Lilien Dinare? Nein.
Und die Vögel?
Schon mal eine Amsel am Bankautomaten gesehen? Nein? Na also.
Vertraut auf Gott. Er gibt euch, was ihr braucht.
Ein netter Mensch, der Jesus.
Normalerweise. Doch hier nicht. Was ist passiert?

Alle Evangelisten erzählen diese Geschichte, die wir vorhin in der Lesung gehört haben.
Jesus kommt nach Jerusalem.
Er ist bereit, seinen Leidensweg auf sich zu nehmen.
Ganz und gar der Sohn Gottes, der die Folgen auf sich nimmt,
wenn in einer gewalttätigen Zeit von Frieden und Gerechtigkeit und Besitzlosigkeit geschwärmt wird, wie er es immer getan hat.
Und das erste, was er tut nach seinem Einzug nach Jerusalem:
er geht in den Tempel.
Das ist an sich nichts Besonderes.
In den Tempel geht man, wenn man zum Passahfest nach Jerusalem kommt.
Da freut man sich drauf.
Der Tempel ist das Wahrzeichen des Bundes zwischen Israel und Gott.
So oft zerstört von fremden Mächten und nun wieder aufgebaut.
Zum dritten Mal. Offen für alle.
Selbst die Heiden dürfen dort beten, wenn auch nur im äußeren Tempelbezirk, im Vorhof.
Menschen kommen um dort Ruhe und Gott zu finden.
Jesus vermutlich auch.
Er will sich stärken für seinen Weg.
Er will mit Menschen zusammen sein, die seinen Glauben teilen.
Er will die Nähe Gottes spüren.
Und so tritt er in den Vorhof und erlebt, wie die Welt, der Alltag, den er verändern will, sich dort breit gemacht hat.
Schauen Sie auf das Bild und stellen Sie sich die Geräusche und Gerüche vor, die es erfüllen.
Es stinkt nach Tierkot, es blökt, es gurrt.
Menschen drängen sich um Händler und Tische.
Laut werden die Opfertiere zum Kauf angeboten: Ochsen, Schafe und Tauben.
Makellose Opfertiere, brüllt es da.
Die braucht man für ein ordentliches Opfer.
Da gibt es strenge Auflagen.
Die Menschen kommen von weither, aber auch aus der näheren Umgebung.
Die meisten kommen ohne Tiere, denn sie wissen:
Die Priester lehnen häufig mitgebrachtes Feder- oder anderes Vieh als nicht thoragemäß ab.
Sie unterstützen die Händler, die ihre Tiere zu meist überteuerten Preisen verkaufen.
Auch die Geldwechsler haben so ihre Eigenarten.
Jeder Gottesdienstbesucher – Frauen, Sklaven und Minderjährige ausgenommen – muss die jährliche Tempelabgabe von einem halben Schekel bezahlen.
Ausländische Währung wird abgelehnt, das Geld muss also gewechselt werden.
Die Geldwechsler verlangten für jede Transaktion eine bestimmte Gebühr.
Auch hierbei gab es reichlich Gelegenheit für Täuschung und Missbrauch, von der anscheinend auch ausgiebig Gebrauch gemacht wurde.
Thema der Evangelisten ist allerdings nicht diese Praktik an sich, sondern der Ort, an dem sie stattfindet.
Und auch Jesus wettert in diese Richtung:
Gott spricht: »Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.“
Statt Gebet und Ruhe und Kontemplation herrscht hier eine Stimmung wie an der New Yorker Börse.
Da kann man schon einmal aus der Haut fahren.
Jesus kippt das Arrangement, das hier zum Alltag gehört,
die Vereinbarung, dass Gott etwas kostet,
dass das Gebet etwas kostet,
dass die Zugehörigkeit zum erwählten Volk, die man am besten im Tempel lebt, etwas kostet.
Er kippt die Tische um, er schreit die Menschen an.
Ob er tatsächlich eine Peitsche in die Hand genommen hat, wie der Evangelist Johannes schreibt, wage ich zu bezweifeln.
Aber auch ohne Peitsche reicht es schon.
Jesus schreit, wütet, im Namen Gottes.
Denn diesmal ist es Gott, dem die Menschen durch ihren Umgang mit Geld zu nahe treten.
Sie treten das erste Gebot mit Füßen:
Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Ist das nicht ein bisschen überzogen?
Sehen die Menschen dort aus, als würden sie das goldene Kalb anbeten?
Wir sehen neben den stehenden, wütenden Männern, die ihre Felle davon schwimmen sehen, auch müde, ruhige Gestalten in eher ärmlichen Gewändern.
Sie sitzen fast unbeteiligt da.
Weder Wut, noch Begeisterung, noch Offenheit ist aus ihren Mienen zu lesen.
Was soll’s, denkt vielleicht eine der jungen Frauen im Vordergrund,
jetzt regen sie sich auf,
jetzt spricht dieser Jesus von dem Unrecht, das geschieht,
aber ändern wird sich nichts.
Die Römer werden die Pacht weiter eintreiben und uns im Griff behalten.
Wenn wir nach Hause kommen, ist alles beim Alten.
Und mein Mann gibt hier unser letztes Geld aus.
Wozu eigentlich? Wir sind arm.
Unser Leben ist und bleibt eng und dadurch freudlos.
Die Menschen, um die es Jesus geht, die zahlen müssen, die erpresst werden, bleiben alle sitzen.
Da kommt einer, der sich das nicht gefallen lassen will, der Gottes Recht einfordert.
Doch sie kann man damit nicht hinter dem Ofen hervorlocken.
Die Macht des Geldes hat ihre Phantasie, ihre Bereitschaft etwas zu verändern, gelähmt.
Die einzigen, die stehen und Jesus zuhören, sich ihm nähern anscheinend ohne Angst, sind die Kinder,
Kinder mit einem noch nicht verdorbenen Gerechtigkeitssinn,
die Antennen haben für Recht und Unrecht,
die es sich auch so einfach machen wie Jesus oder vielleicht besser:
Die die Einfachheit der Dinge noch erkennen, des Gebots:
Was du nicht willst, das dir die Leute tun, das tue ihnen auch nicht.

Über Geld spricht man nicht, aber manchmal kann man nicht darüber schweigen.
Wenn es sich breit macht.
Wenn seine Wirkung anderes verdrängt.
Wenn es seine eigentliche Funktion, das Leben, den Austausch von Leistung und Ertrag zu stützen und zu regeln, vergisst
und Menschen ihm mehr Macht zugestehen, als es haben darf.
Wenn es plötzlich eigene Regeln aufstellt und verlangt,
dass sich alle danach richten.
Wenn es suggeriert, dass nur Dinge wirklich etwas gelten,
die man mit Geld bezahlen kann.
Moment, das klingt ja so, als habe das Geld einen eigenen Willen, als sei es eine Person.
Das, um es einmal ganz deutlich zu sagen, ist nicht der Fall.
Auch wenn uns das manchmal so erscheint.
Auch wenn wir bei der Frage: Was bleibt von unserem Leben, wenn uns das Geld ausginge, vielleicht doch ein wenig erschrecken.
Auch wenn wir merken, dass wir Menschen,
die kein Geld haben oder nicht mehr, von vorneherein als Behinderte ansehen,
als Menschen, die vom Leben ausgeschlossen sind
und durch unsere Einstellung tatsächlich nur noch am Rand stehen bleiben können,
keinen Zutritt mehr haben zu Kinos, Theatern, Geschäften,
und auch in Gemeinden selten vorkommen.
Die Sprüche: Es gibt Dinge, die kann man nicht kaufen, die sind nicht mit Gold zu bezahlen, klingen schön,
haben aber viel zu wenig Einfluss auf unser Leben.
Dennoch sind sie nicht falsch.
Wenn wir zu wenig kaufen, kriegen wir in den Zeitungen Panikmeldungen über das sinkende Bruttosozialprodukt zu hören.
Es gibt auch Meldungen über mangelndes Sozialbewusstsein und sinkende Lebenszufriedenheit,
aber der Wirtschaftsstandort Deutschland, der geht vor.
Denn alle wissen, was da kippt, wenn die Wirtschaft kippt.
Jesus kippt die Tische um im Namen Gottes.
Er kippt damit nicht die ganze damalige Gesellschaftsordnung.
Es ist nicht seine Art und ist und bleibt ein einzigartiger Moment.
Aber er möchte um jeden Preis noch einmal durchdringen und den Menschen klarmachen:
Gott ist nicht mit Gold zu bezahlen.
Bei Gott ist alles umsonst und dennoch etwas wert.
Jesus  erkennt die Macht des Geldes und spiegelt mit seinem Verhalten die ganze Brutalität, die der Umgang mit Geld bewirkt.
Und vielleicht ist das auch für uns immer wieder wichtig, uns klarzumachen:
Gottesdienste kosten nichts und gehören zu den Dingen,
die unserem Leben eine wichtige Orientierung sein können,
nicht nur durch Predigten,
sondern vor allem durch die Gemeinschaft der Menschen,
die sich dort zusammen finden,
durch die Ruhe zum Gebet,
durch das Getragen werden durch die Liturgie.
Alles umsonst und bitte schieben Sie jetzt einmal den Gedanken an die Kirchensteuer beiseite.
In die Kollekte tut nur der etwas, der möchte und kann.
Wir reden auch bei uns zunehmend über Geld und lassen uns in den Grenzen nieder, die es vorgibt.
Und lassen unsere Phantasie davon lenken, unsere Bereitschaft uns einzubringen.
Eine Gemeinde, ganz egal wieviele Häuser sie hat oder in welchem Stadtteil sie angesiedelt ist,
lebt aber vor allem immer von Menschen, die wert schätzen,
was sie hier umsonst bekommen
und die zum Leben beitragen, indem sie umsonst geben,
ihre Kraft geben,
ihre Begeisterung für den Weg Jesu in sichtbaren Schritten ausdrücken,
ihr Vertrauen in Gott mit anderen teilen.
Auch wir müssen über Geld sprechen
und zwar vor allem, um es auf seinen Platz zu verweisen,
um ihm nicht mehr Bühne zu geben, als unbedingt notwendig.
Weil bei uns andere Dinge mehr zählen, mehr wert sind.
Und wir haben dabei eine Vision vor Augen, die zeigt,
wie Gott über Geld denkt
und über eine Stadt, die ganz aus der Kraft seiner Liebe lebt:
Die Vision des Johannes
Und er zeigte mir einen Strom lebendigen Wassers,
klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des Lammes;
2mitten auf dem Platz und auf beiden Seiten des Stromes Bäume des Lebens, die tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht, und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker
Und der Geist und die Braut sprechen: Komm!
Und wer es hört, der spreche: Komm!
Und
wen dürstet, der komme;
und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens
umsonst.
Amen




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