Samstag, 28. April 2012

Predigt 2 Kor 4, 16-18 Jubilate 2012



2. Kor 4,16-18
Wir werden nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.
 Uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.
Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
(Pause)
Nochmal.
Wir werden nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.
Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.
Uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.
Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

Susanne:             Ein schwerer Text, finde ich.
Paulus, ich habe da ein paar Fragen an dich,
wenn du uns so einen Brocken vorsetzt.
Komm doch mal her.
(Paulus steht auf und geht ans Mikro)

Paulus:                Ja?
Susanne:             Wirst du nicht müde?
Wie machst du das?
Du hast doch allen Grund dazu.
Eine Krankheit, die dich fest im Griff hat,
viel Ärger mit den Behörden,
die in Gefangenschaft, Folter und ähnlichen Unannehmlichkeiten ausarten,
lange Reisen, sehr unbequem,
nicht immer Freude an den Gemeinden, die du gegründet hast,
sondern auch Streit und Angriffe und Infragestellung.

Paulus:                Ja, schon.
Aber, das habe ich ja auch den Korinthern geschrieben,
wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht.
Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen.
Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.
Wir halten nicht den Mund.
Wir werden nicht müde.

Susanne:             Toll, Paulus. Hut ab.
Wie macht ihr das?
Habt ihr ein spezielles Mittel?
Wenn ja, dann solltet ihr eine Gesundheitsberatung aufmachen.
Denn Müdigkeit, Paulus, das ist ein großes Thema bei uns.
Vielleicht habt ihr Besseres zu bieten gegen die Müdigkeit,
als die Ratschläge im Internet:
Fruchtmolke, Eisenpräparate,
2 mal täglich 1 Tasse Ingwerwurzel-Tee trinken,
Darmsanierung, Zink.
Die Müdigkeit, Paulus, hat uns häufig im Griff,.
Ich meine nicht die normale, 
die nun einmal zum Leben dazugehört,
sondern dieses Ausgelaugtsein,
die Antriebslosigkeit, die Schlappheit am Tag,
Müdigkeit, die schlimmstenfalls krankhaft wird, burn out genannt.
Müdigkeit, jeder kennt sie, immer wieder.
Jugendliche in der Pubertät scheinen manchmal gerade noch die Kraft zu haben,
ihre Zimmertür hinter sich zuschnappen zu lassen.
Aber auch, wenn wir Erwachsene fragen,
die sich gerade nicht mit einer hormonellen Umstrukturierung herumschlagen,
wenn wir die fragen „Wie geht’s denn so?“
bekommen wir häufig ein „Ganz gut“ mit einem tiefen Seufzer als Antwort.
Nicht sehr überzeugend.
Man selber neigt auch dazu.
Und du, Paulus, ganz ehrlich,
du siehst auch nicht gerade aus wie das blühende Leben.

Paulus:                Äußerlich mag es so wirken,
vielleicht sehe ich hin und wieder so aus, als sei ich am Ende.
Und letztlich läuft es darauf hinaus, dass es dazu kommen wird.
Ich tanze ständig auf dem Seil,
mit einem Fuß immer im Verderben.
Manchmal bin ich auch kurz vor dem Verzweifeln.
Aber ich betreibe kein Fitnesstraining,
falls du das denkst,
ich suche keine Ärzte auf, trotz meiner Krankheit,
ich tue nichts für meine äußere Erscheinung,
und ich lebe eigentlich ständig über meine Kräfte.
Was soll ich sagen:
Der äußere Mensch verfällt eben.

Susanne:             Richtig, Paulus,
und manche verfallen schneller und manche weniger schnell.
Du warst nie ein strahlendes Aushängeschild für die Gemeinden,
das wissen wir,
und das hat man dir auch immer wieder unter die Nase gerieben.
Aber du warst doch der Motor,
der nicht ausgeht und nicht müde wird,
immer weiter läuft und läuft und läuft.
Wie kann so jemand wie du nicht müde werden
und nicht irgendwann aufgeben?

Paulus:                Meine Liebe, weil ich in dem, was mir begegnet,
immer auch schon das sehe,
was daraus werden kann und wird,
die ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit,
Sie stellt alles zeitlich begrenzte Elend in Frage.
Sie drängt sich immer wieder in den Vordergrund
als Maß und Ziel der Welt.
Gott ist in mir am Werk.
Er erneuert meinen inneren Mensch von Tag zu Tag.
Und ich lebe nicht einfach auf eine schöne Zukunft hin.
Ich erlebe täglich, dass Gott da ist
und Leben und Freude ermöglicht,
wo meine Vorstellungskraft versagt.
Auch wenn das manchmal nicht offensichtlich ist,
so wird doch seine Kraft sichtbar,
gerade weil ich eigentlich nur sehr wenig eigene Kraft habe.
Ich habe Anteil am Leben und Sterben Jesu und an seiner Auferstehung.
Durch mich wird deutlich:
Gott sucht sich keine Kraftprotze,
keine strahlenden Sieger.
Er nimmt durchaus auch Menschen,
die erst einmal nicht auffallen,
Menschen wie du und ich.
Seine Kraft ist das Leben, ist die Liebe,
die sich auch in den schlimmsten Zeiten
immer wieder hervordrängt und gelebt werden kann.
Weil wir das alles glauben,
weil wir glauben,
deshalb laufen und reden wir auch.
Immer weiter und weiter.
Deshalb werden wir nicht müde.

Susanne:            Also, dass ich das richtig verstehe:
Du bist manchmal kräftemäßig am Ende,
hast auch Angst, verzweifelst,
aber Gott gibt dir immer wieder neue Kraft?
Und du kannst in allem einen Sinn erkennen;
auch in deinem Leiden
und deshalb gibst du nicht auf.
Du siehst, dass Gerechtigkeit und Friede sich immer wieder durchsetzen mit Gottes Hilfe.
Du hast die Kraft in Kleinasien eine Gemeinde nach der anderen zu gründen,
obwohl du öfters eigentlich ins Bett gehörst
oder in eine Reha.
Und du glaubst daran, dass Gott weiter handelt
auch durch dich,
und deshalb wirst du nicht müde.

Paulus:                Genau, ich glaube, darum rede ich,
darum werde ich nicht müde, bei dem, was ich tue.

Susanne:             Danke, Paulus!
Ich denke, jetzt komme ich alleine weiter.

Wir werden nicht müde;
sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt,
so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.

Müdigkeit scheint ein wichtiger Gradmesser zu sein.
Ein Gradmesser dafür, wie sehr ich einen Sinn in dem sehe,
was ich tue,
was mein Leben erfüllt.
Wenn mich etwas ganz und gar erfüllt,
überzeugt, inspiriert, Spaß macht, dann werde ich nicht müde.
Dann fällt es sogar schwer, Schlaf zu finden.
Dann ist der Schlaf zwar eine notwendige Erholungspause,
die der Körper nun einmal braucht,
aber keine Flucht ins Vergessen, in die Lethargie.

Lähmende Müdigkeit ist also ein wichtiger Hinweis,
wenn ich den Weg, den ich gerade gehe,
eigentlich auf Dauer nicht gehen möchte.
Müdigkeit ist ein Gradmesser auch für meinen Glauben.
Wenn Paulus recht hat,
dann scheint Gott nicht müde zu werden
uns immer wieder Kraft zu schicken.
Gott ist kein Aufputschmittel und
er kümmert sich auch manchmal reichlich wenig
um unsere körperliche Verfassung,
um unsere Lebensumstände.
Er kümmert sich eher um die Haltung,
um die Ausrichtung,
mit der wir Dinge angehen.
Oder wie es der 66. Psalm ausdrückt:
Gott ist der, der unsre Seelen am Leben erhält
und dadurch unsere Füße nicht gleiten lässt.

Zwei Beispiele für die Art, wie Gott unsere Seelen,
unseren inneren Menschen am Leben erhält,
zum Leben führt:

Franz von Assisi, ein junger Spunt,
Sohn eines reichen Tuchhändlers
zieht in den Krieg.
Aus voller Überzeugung.
Er gerät in Gefangenschaft,
er wird krank.
Immer wieder überfallen ihn merkwürdige Stimmungen,
in denen er sich fragt: Was macht das alles für einen Sinn?
Irgendetwas zieht ihn, aber nicht ins Abenteuer  und in die Ferne.
Wohin das weiß er selbst nicht genau.
Wieder zu Hause treibt er seine Eltern in den Wahnsinn.
Er liegt im Bett herum,
hat zu nichts Lust, schläft, schlunzt herum.
Dann und wann stürzt er sich in den Handel mit Tuch,
nur um sich bald darauf wieder in seinem Zimmer einzuschließen.
Er hat allen Lebensmut verloren.
Dann, in einem Traum, wird seine alte Leidenschaft
für Schönheit und Reichtum und Abenteuer geweckt.
Es reißt ihn hoch und er zieht wieder in den Krieg,
prächtig ausgestattet von seinem glücklichen Vater.
Gott hat eine merkwürdige Art,
den inneren Menschen auf Trab zu bringen.
Aber gleich zu Beginn begegnet Franz einem armen Ritter
und er schämt sich.
Der tapfere Mann sieht so schäbig aus und er ist so aufgeputzt.
Der Weg, den er eigentlich einschlagen soll, beginnt hier:
Er tauscht mit dem Ritter seine Kleider,
er wird wieder krank
und während die Schlacht tobt, liegt er im Bett.
Und wieder hört er eine Stimme im Traum:
Sie kommt aus einem großen Licht und fragt ihn:
Was ist besser, dem Herrn zu dienen oder dem Knecht?
Dem Herrn, sagt Franziskus.
Warum dienst du dann dem Knecht?
Franziskus spürt, wie das Licht ihn erfüllt und beglückt.
Die Stimme schickt ihn nach Hause.
Und Franziskus wird zu dem, als den wir ihn kennen,
Er wird arm und bleibt arm.
Er versöhnt Menschen,
steht mit Vögeln auf du und du.
Er bringt Menschen auf Trab und
auf den Weg des Friedens und der Gerechtigkeit
und das, obwohl er er wie Paulus immer wieder mit Krankheit und körperlichem Verfall leben muss.
Auch Franziskus ist kein Kraftprotz, im Gegenteil.
Aber er ist sich sicher, auf dem Weg zu sein, auf dem Gott ihn begleitet.
Langeweile und Lebensmüdigkeit hat Franziskus nie wieder verspürt.

Das andere Beispiel:
Freya von Moltke fährt auf dem Fahrrad nach Hause.
Wir schreiben das Jahr 1945.
Ihr Mann ist vor kurzem in Plötzensee ermordet worden.
In den fünf Monaten, die sie auf seine sichere Hinrichtung gewartet haben,
haben sie Briefe geschrieben.
Und Helmut James von Moltke hat in dieser Zeit
nur noch die Bibel und das Gesangbuch gelesen.
Mehr als gelesen.
Er ist in die Bibel eingedrungen
und hat dort Gott gefunden und einen Halt.
Das half ihm nicht zusammenzubrechen.
Trotz des drohenden äußerlichen Verfalls hat er so eine innere Stärke bekommen,
die ihn selber manchmal verwundert.
Aber diese innerliche Kraft hat ihm und seiner Frau geholfen,
sich nicht mit dem Ende abzufinden,
sondern sicher zu sein, dass Gott kein Ende zulässt;
Dass sie vereint bleiben auch über den Tod hinaus.
Das hört sich vielleicht ein wenig romantisch an und weltfremd.
Aber wenn Menschen im Angesicht des Galgens
zu einer solchen Haltung kommen,
Tag für Tag, wie Paulus schreibt, die Kraft Gottes von Neuem erfahren,
dann verlangt das Hochachtung.
Freya fährt den Berg hinunter.
Der Frühling beginnt.
Sie lässt die Räder laufen, spürt den Fahrtwind
und fühlt in sich ein überschwängliches Glück,
über das sie sich selber wundert.
Aber sie hat das Gefühl, ihr Mann ist ihr näher,
als in der Zelle in Tegel.
Ihre gemeinsame Lebenszeit war begrenzt.
Aber sie sind nicht getrennt, sie leben weiter in Gott vereint.
Die Verbindung bleibt und die Kraft, die sie daraus zieht.
Das verhindert, dass sie aufgibt, sich fallen lässt
und lebensmüde wird.
Das gibt ihr die Kraft, weiter zu leben
und einen Sinn darin zu sehen.

Unsere Müdigkeit manchmal,
die wir in unserem Leben,
aber auch die Müdigkeit, die wir in der Gemeinde verspüren,
die sollten wir ernst nehmen,
als Gottes Stimme, die uns ruft, Tag für Tag,
uns zu öffnen und auf Trab bringen zu lassen,
egal, ob andere unsere Wege verstehen,
egal, ob wir die Ausstrahlung haben,
die andere von einer Gemeinde fordern,
wach bleiben für das,
was uns wach macht, belebt
durch das, was wir hier tun,
vielleicht auch durch das, was wir nicht mehr tun.

Wir werden nicht müde, sagt Paulus.
Wir haben heute drei Konfirmanden getauft,
die ihren Weg noch suchen
und ich wünsche ihnen, dass sie wach bleiben,
wach für Gottes Stimme, die ihnen sagt:
Du bist, was du bist und du bist gut,
wie Douglas Taufspruch es sagt.
Wach für seine liebevolle Begleitung,
für die Engel, die uns behüten auf all unseren Wegen,
wie Fee es sich wünscht.
Und wach dafür, dass egal, welchen Eindruck andere von uns haben,
Gott  uns immer erkennt und anerkennt,
weil er unser Herz ansieht, wie Emilias Taufspruch es ausdrückt.
Und Gott entdeckt Kräfte in uns,
die uns manchmal selber überraschen
und fröhlich und zuversichtlich machen,
uns dazu bringen Gott wie Hans Dieter Hüsch zu loben:
Ich bin vergnügt
Erlöst
Befreit
Gott nahm in seine Hände
Meine Zeit
Mein Fühlen Denken
Hören Sagen
Mein Triumphieren
Und verzagen
Das Elend
Und die Zärtlichkeit

Was macht dass ich so fröhlich bin
In meinem kleinen Reich
Ich sing und tanze her und hin
Vom Kindbett bis zur Leich

Was macht, dass ich so furchtsam bin
An vielen dunklen Tagen
Es kommt ein Geist mir in den Sinn
Will mich durchs Leben tragen

Was macht dass ich so unbeschwert
Und mich kein Trübsinn hält
Weil mich mein Gott das Lachen lehrt
Wohl über alle Welt.

Amen





Das ist rausgeflogen: 

Wenn ich überlege, was mich ermüdet
und die Menschen um mich herum
dann denke ich, es gibt mehrere Fallen,
in die wir in der Kirche und auch in dieser Gemeinde immer wieder tappen,
Fallen, die uns müde machen,
weil sie viel Kraft kosten und wenig Sinn machen.
Fallen, die ich so beschreiben würde:
Zuviele Ideale und Vorstellungen und Ansprüche – zu wenig Realität
Zuviel Zweifel und Kritik – zu wenig Selbstbewusstsein und Verständnis
Zuviel Konflikte oder Aneinandervorbeileben – zu wenig Gemeinschaft
Zuviel Ernst – zu wenig Spaß oder besser Freude, die ansteckt
Zuviel Tempo – zu wenig Pausen
Zuviel in Sinnloses gesteckte, zu viel vertane Zeit – zu wenig kreativ genutzte Zeit
Zuviel Kraft für die Bestandswahrung – zu wenig Kraft für Visionen
Zuviel Einsatz nach innen – zu wenige Blicke über den Tellerrand zu den anderen.
Zuviel Reden über das knappe Geld – zu wenig Reden über Gerechtigkeit
Zu wenig Raum für die Stille
Zu wenig Raum fürs Gebet
Zu wenig Zeit zum Singen
Zu wenig Gelegenheit zum gemeinsamen Essen und Feiern
Zu wenig Einfluss auf die Welt um uns herum
Zu wenig Raum für Begegnungen mit Gott.


Das auch:
Wenn Sie Ihr Leben betrachten,
was, auf einer Skala von 1-10 gesehen,
würden Sie als Grad Ihrer Wachheit angeben?
Überlegen Sie einen Moment.
In dem Buch Schlafes Bruder von Robert Schneider
sagt Johannes Elias Alder:
Wer schläft, liebt nicht.
Er wählt den radikalen Weg,
um den Platz der geliebten Frau in seinem Leben zu verdeutlichen:
Er schläft überhaupt nicht mehr.
Denn, so seine Meinung: Wer schläft, liebt nicht.

Wach sein und wach bleiben
als Zeichen auch der Gegenwart Gottes?
Wer Gott liebt, schläft nicht oder zumindest wird nicht müde?
Einiges spricht dafür.



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